Die Mafia gabelt in der Corona-Krise immer mehr Restaurants auf.

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Die meisten der nun geschlossenen Lokale liegen in bester Lage: an der Piazza Navona, beim Pantheon, im Borgo Pio hinter dem Castel Sant'Angelo, im Ausgehviertel Trastevere. Arglose Touristen strömten jeden Tag in diese Trattorien und Ristoranti, um sich für den Besuch des Vatikans und des Kolosseums zu stärken. Mitunter wurden sie dabei auch gnadenlos abgezockt: Eines der betroffenen Lokale hatte vor einem Jahr Schlagzeilen gemacht, weil zwei japanischen Touristen eine Rechnung in der Höhe von 430 Euro präsentiert wurde – für zwei Teller Spaghetti und eine große Flasche Mineralwasser. Die Gäste hatten Anzeige erstattet.

Die Carabinieri, die am Dienstag eine Großrazzia in der Römer Gastronomie durchführten, interessierten sich freilich nicht für die Preisgestaltung der Lokale – sondern für deren Besitzer. In umfangreichen Ermittlungen hatte die Römer Staatsanwaltschaft festgestellt, dass sich die Betriebe in der Hand des Moccia-Clans befanden, einer berüchtigten Familie der Camorra, der neapolitanischen Mafia. Insgesamt haben die Carabinieri 14 Lokale beschlagnahmt und 13 Personen verhaftet. Unter den Festgenommenen befinden sich auch die beiden Clanbosse Angelo und Luigi Moccia.

"Weißt du, wer Angelo Moccia ist?"

Zur Tarnung hatten die Clans Strohmänner benutzt, die als offizielle Besitzer eingetragen wurden. Diese wiederum verpachteten die Lokale an zunächst meist ahnungslose Wirte, denen in der Regel aber schnell klargemacht wurde, in wessen Hände sie sich begeben hatten: Sie mussten dem Clan hohe Prozentsätze des Umsatzes abliefern. Viele Wirte lebten in ständiger Angst: "Weißt du, wer Angelo Moccia ist? Pass bloß auf, die haben eine Organisation, einen Clan, das ist erschreckend. Die sind überall, die bringen dich um", warnte einer der Wirte einen Kollegen in einem von den Ermittlern abgehörten Telefongespräch.

Die Razzia gegen mafiöse Gastrobetriebe in der Ewigen Stadt war eine der größten der letzten Jahre, aber bei weitem nicht die erste. Die Mafia – besonders die neapolitanische Camorra und die kalabresische 'Ndrangheta – investiert seit langem in Restaurants und auch in Immobilien: Sie wäscht damit die illegalen Milliarden, die sie hauptsächlich mit Drogenhandel verdient. In den letzten Jahren haben die Anti-Mafia-Behörden in Rom über 500 Betriebe geschlossen und Vermögen im Gesamtwert von rund zwei Milliarden Euro beschlagnahmt.

14 Prozent "kennen Kollegen" bei der Mafia

"Die 14 Betriebe sind nur die Spitze des Eisbergs", ist auch Luciano Sbraga vom Römer Gewerbeverband überzeugt. In einer Umfrage, die der Verband in den Wochen nach dem Lockdown gemacht hat, hätten 14 Prozent der befragten Wirte angegeben, dass sie Kollegen kennen, die in die Fänge der Mafia geraten seien. Die Covid-Krise habe die Situation noch verschlimmert, betont Sbraga: "In wirtschaftlich schwierigen Zeiten fällt es der Mafia leichter, sich Betriebe einzuverleiben: Den Wirten fehlt der Umsatz, es fehlt das Geld – und am Ende verkauft man an wen auch immer. Und die Camorra kauft."

Die Aussagen von Luciano Sgraba werden bestätigt durch eine Studie des italienischen Landwirtschaftsverbands Coldiretti. Dem Bericht zufolge sind landesweit mindestens 5.000 Restaurants und Bars in den Händen der Mafia. Besonders betroffen sind die Regionen, aus denen die Clans stammen: Kampanien und Kalabrien. In Reggio Calabria zum Beispiel wissen die Bürgerinnen und Bürger von praktisch jeder einzelnen Bar und Trattoria, ob sie sich im Besitz einer 'Ndrangheta-Familie befindet und von welcher. (Dominik Straub aus Rom, 1.10.2020)