Ausgezeichnet mit dem Staatspreis für Wissenschaftspublizistik: STANDARD-Wissenschaftsleiter Peter Illetschko.

Foto: STANDARD, Newald

Wien – Der diesjährige Staatspreis für Wissenschaftspublizistik geht wie berichtet an STANDARD-Wissenschaftsleiter Peter Illetschko, der Preis wurde am Donnerstag überreicht. Illetschko stehe für "engagierten, selbstbewussten und selbstrecherchierten Journalismus", so die Jury, er greife Themen auf, die gesellschaftlich relevant seien, und setze sich beharrlich dafür ein, dass Wissenschaftsjournalismus seinen Platz im Medium und in der Berichterstattung bekommt. "Dieser Staatspreis ist vor allem ein Appell, die journalistische Kaste der Wissenschaftspublizistik hochzuhalten. Gerade fachlich versierte Wissenschaftsjournalisten können in Krisen wie jetzt viel zur Aufklärung beitragen", sagt Bildungsminister Heinz Faßmann. Der Förderungspreis ging an die ORF-Journalistin Judith Langasch, mit dem Anerkennungspreis wurde die freie Journalistin Sonja Bettel ausgezeichnet.

Peter Illetschko wurde in Wien geboren, er studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaften sowie Theaterwissenschaften. Seit 2013 leitet er im STANDARD das Ressort Wissenschaft, seit 2003 koordiniert er als Mitbegründer die Beilage "Forschung spezial". Den STANDARD begleitet er bereits seit der Gründung.

"Menschliche Seite der Wissenschaft"

Mathematiker und Wissenschafter Karl Sigmund von der Uni Wien würdige Peter Illetschko in seiner Laudatio: "Peter Illetschkos Vergangenheit als Film- und Theaterkritiker scheint mir der Grund für eine Eigenheit: Er ist besonders für die menschliche Seite der Wissenschaft empfänglich, für die alltägliche Dramatik, die Freuden und Enttäuschungen, die den Betrieb dauernd am Köcheln halten". Und weiter: "Was an den Artikeln von Peter besonders auffällt, ist, dass er auch in die weniger spektakulären Ecken des Wissenschaftsbetriebs hineinschaut. Grob gesprochen schreibt er über Zoologie, dann geht es nicht nur um Löwen oder Buckelwale, diese ewige Diät von Naturfilmen, sondern auch – beispielsweise – um einen Wellensittich namens Burli (den englischsprachigen Wissenschaftern als Börli bekannt) und um Burlis musikalische Talente."

"Ungemütlich wird Peter Illetschko eigentlich nur, wenn es um verfehlte Wissenschaftspolitik geht", so Sigmund, "das nimmt er persönlich – in der Redaktion geht die Legende, dass seine Haare nur deshalb so früh ergraut sind. Und hier kann Illetschko durchaus auch zu einem Stachel im Fleisch dieses Ministeriums werden. Beim Forschungsbudget versteht er keinen Spaß." (red, 1.10.2020)

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Die Laudatio von Mathematiker Karl Sigmund im Wortlaut

"Peter Illetschko wird es mir sicher verzeihen, wenn ich ihn als Urgestein bezeichne. Journalistisches Urgestein. STANDARD-Urgestein. Tatsächlich gehört er beim STANDARD zu den Mitarbeitern der ersten Stunde. Das ist – ich habe es nachgerechnet – ein Dritteljahrhundert her.

Umso überraschter war ich, im Zug meiner Recherchen zu erfahren, dass er nicht immer beim STANDARD geblieben ist. Es gab da einen Seitensprung, gewissermaßen eine Standardabweichung, aber das ging vorüber, und ich stelle mir seine Rückkehr so ähnlich vor wie die Rückkehr des verlorenen Sohnes. Seit ewigen Zeiten, kommt es mir vor, leitet er beim STANDARD das Wissenschaftsressort – sowohl in Print als auch online.

Der junge Peter Illetschko hat neben der Publizistik auch ein Studium der Theaterwissenschaften begonnen – eine Ausbildung, die vielleicht eher für das Ressort Innenpolitik qualifiziert. Dieses Ressort wollte er aber tunlichst vermeiden. Er hat anfangs Film- und Theaterkritiken geschrieben – und da ich mich ebenfalls für Film und Theater interessiere, sind wir uns auch in Kinos öfters über den Weg gelaufen.

Metamorphose

Er erschien mir immer als der typische Großstadtmensch (bei uns in Wien heißt das: Er ist kein Autofahrer). Seit etwa einem Jahr allerdings hat sich dieser Städter gewandelt. Eine Metamorphose! Er hat seine Leidenschaft fürs Waldviertel entdeckt. Tatsächlich, er baut dort Gurken an und schwärmt von der letzten Ribiselernte. Seine Liebe zum Waldviertel kann ich gut verstehen – umso mehr, als ich am Kamp zur Welt gekommen bin.

Peter Illetschko war zunächst Redakteur für Kultur und Medien, aber das war nicht seine Berufung. Diese Berufung ereilte ihn in München, als er an einem Kiosk vorbeiging und ihm dort ein deutsches Wissenschaftsmagazin in die Hände fiel. Es muss so etwas wie ein Erweckungserlebnis gewesen sein. Wieder eine Metamorphose! Die Wege des Schicksals sind unergründlich. Aber tatsächlich, mit so einem Wissenschaftsmagazin in der Hand, da merkt man, wie breit, wie unglaublich vielseitig die Wissenschaft ist. Das merkt man vielleicht sogar besser als durch eine langjährige wissenschaftliche Fachausbildung, deren Scheuklappen manche ihr Lebtag nicht abschütteln können.

Die menschliche Seite der Wissenschaft

Die Wissenschaftspublizistik ist eine faszinierende Branche. Auch mich hat sie von früh auf interessiert, und wer weiß, ich hätte auch in dem Ressort landen können. Als einer, der die österreichische Szene des Wissenschaftsjournalismus seit sechzig Jahren kritisch beäugt, darf ich sagen: In meinen frühen Jahren war die wissenschaftliche Berichterstattung durch österreichische Druckmedien ausgesprochen schwachbrüstig, etwa im Vergleich zu den deutschen oder schweizerischen Tageszeitungen. Inzwischen hat sich das nachhaltig gebessert, woran vielleicht aufgeklärte Maßnahmen wie eben dieser Staatspreis beteiligt waren. Jetzt jedenfalls gibt es mindestens drei österreichische Zeitungen, die sehr präsentabel aufgestellt sind.

Peter Illetschkos Vergangenheit als Film- und Theaterkritiker scheint mir der Grund für eine Eigenheit: Er ist besonders für die menschliche Seite der Wissenschaft empfänglich, für die alltägliche Dramatik, die Freuden und Enttäuschungen, die den Betrieb dauernd am Köcheln halten. Peter Illetschko ist, wie schon sein Erweckungserlebnis zeigt, Generalist von Natur aus. Er schreibt über alles Mögliche – die Genschere CRISPR, die Arktis, Zugvögel, die Regel bei Männern, Radioastronomie, Glücksforschung, Spieltheorie. Aber immer "menschelt" es in seinen Artikeln, wenn ich so sagen darf. Oder, wie eine seiner Kolleginnen es ausdrückte: "Bei Peter gibt es manchmal großes Kino." Und das ist gut so! Wissenschaft einer größeren Öffentlichkeit zu vermitteln ist keine leichte Aufgabe, da wäre es fahrlässig, auf die vielen berührenden kleinen und großen Geschichten zu verzichten, aus denen sich letztlich die große Wissenschaftssaga zusammensetzt.

Peter ist sich dessen bewusst. Er hat mir einmal erzählt, dass er eine Serie über das Scheitern in der Wissenschaft plant. Ich freue mich auf die Serie – und könnte ihm aus eigenem Erleben viel erzählen. Wie bei einem Eisberg, der zu neun Zehntel unter Wasser ist, besteht die Wissenschaft zu neun Zehntel aus Scheitern. Es ist dem Blick entzogen. Und auch das, was in die Höhe ragt und glänzt und strahlt, kann plötzlich kippen und abtauchen ins Meer der gescheiterten Ideen. Das passiert selten, aber doch: Man nennt es einen Paradigmenwechsel.

Wellensittich namens Burli

Wenn Peter Illetschko ein Thema übernimmt, geht er es zunächst gern mit einem Besuch im Labor an oder in der Messstation oder sonst wie vor Ort. Im Fall der Mathematik heißt das natürlich: im Kaffeehaus. Im Fall der Astronomie: auf ins chilenische Hochplateau. Und als Peter einmal einen berühmten Schlafforscher in New York interviewte, lag er im Clinch mit dem Jetlag, während ihm der Nobelpreisträger den Tag-und-Nacht-Rhythmus darlegte.

Was an den Artikeln von Peter besonders auffällt, ist, dass er auch in die weniger spektakulären Ecken des Wissenschaftsbetriebs hineinschaut. Grob gesprochen schreibt er über Zoologie, dann geht es nicht nur um Löwen oder Buckelwale, diese ewige Diät von Naturfilmen, sondern auch – beispielsweise – um einen Wellensittich namens Burli (den englischsprachigen Wissenschaftern als Börli bekannt) und um Burlis musikalische Talente. Und wie ich aus informierten Kreisen erfahren konnte, ist derzeit etwas über Wasserflöhe in Arbeit. Peter verliert auch bescheidene Lebewesen nicht aus den Augen. (Selbst über mich hat er schon geschrieben.)

Guter Organisator

Manche von Peter Illetschkos Geschichten brauchen lang, um zu reifen – die Hektik, die viele mit dem Tagesjournalismus verbinden, ist seine Sache nicht. Vom herannahenden Andruck des Blattes lässt er sich nicht kopfscheu machen. Oder, wie es ein scharfsichtiger Beobachter ausgedrückt hat: Peter Illetschko zeichnet sich durch eine gewisse Getragenheit aus. Er selbst sagt Nein, innerlich brodelt's – aber man merkt ihm nichts an.

Die Ruhe, die er ausstrahlt, kommt ihm auch als Ressortleiter sehr zugute. Er ist ein guter Organisator, doch vor allem versteht er es, das Ressort wie eine Familie zu führen. Dazu gehört der Guglhupf, den er gern in die Redaktion mitbringt, um etwas zu feiern, etwas zu klären oder sonst wie hervorzuheben. Und wenn der Tag besonders lang und anstrengend war, verabschiedet er sich spätabends aus der Redaktion mit dem Stehsatz "So, jetzt geh ich noch ein bisserl wohnen".

Das hat sich jetzt, in den Zeiten des Homeoffice, leider geändert; in die Wohnungen ist die Arbeit als Untermieterin eingezogen. Und auch der Einsatz des Guglhupfs als Führungstechnik ist nur mehr schwer anwendbar. Der digitale Guglhupf ist noch nicht erfunden worden.

Besonders lang sind für unseren Preisträger der Montag und der Dienstag, also die Tage vor dem Erscheinen der Wissenschaftsbeilage. Diese Beilage – 'Forschung spezial' – betreut Peter, seit es sie gibt, also seit bald zwanzig Jahren. Auch hier kommt ihm natürlich die Breite seiner Interessen besonders zugute. Außerdem ist er ein hervorragender Teamplayer und stets bereit, nicht nur vom Trainerbankerl aus Anweisungen zu geben, sondern auch selbst einzuspringen, Lücken zu füllen, ja, das zu tun, was im Fußballerjargon "ausputzen" heißt.

Stachel im Fleisch des Ministeriums

Ungemütlich wird Peter Illetschko eigentlich nur, wenn es um verfehlte Wissenschaftspolitik geht. Das nimmt er persönlich – in der Redaktion geht die Legende, dass seine Haare nur deshalb so früh ergraut sind. Und hier kann Illetschko durchaus auch zu einem Stachel im Fleisch dieses Ministeriums werden. Beim Forschungsbudget versteht er keinen Spaß. Sein Mantra: Neugiergetriebene Grundlagenforschung ist die Haupttriebfeder der Wissenschaft! – Und als ich verschämt einwarf, dass der derzeitige Minister das wohl auch schon verinnerlicht habe, da schien ihm das nicht genug: Das ganze Ministerium muss von dem Grundsatz erfüllt sein! Das ganze Land! Und er hat ja recht, zuletzt kommt es darauf an, die breite Öffentlichkeit zu überzeugen, und da ist noch einiges zu tun.

Es gibt viele Arten, der Wissenschaft zu dienen. Es geht nicht nur um die Einsteins und Madame Curies. Heute mehr denn je bildet die Wissenschaft ein breit gefächertes Biotop. Und dieses Biotop beschreibt Peter Illetschko in seiner Artenvielfalt. Wenn es um etwas so Weltbewegendes wie die Genschere CRISPR-Cas geht, so schreibt Peter nicht über den Nobelpreis, der seit Jahren im Raum schwebt, sondern über den polnischen Dissertanten, der die Experimente betreut hat und doch meist unerwähnt bleibt. Den meisten von uns Wissenschaftern geht es so, sie bleiben anonym wie die Arbeiter an einer gotischen Kathedrale. Manche bemühen sich, ins Rampenlicht zu kommen, wieder andere scheuen sich davor, aber unterm Strich kommt es doch nur darauf an, an dem großen Werk beteiligt zu sein.

Schlimm wäre es nur, wenn der Turm, an dem wir mitbauen, nicht mehr wahrgenommen wird. Oder wenn die, die dort arbeiten, einander nicht mehr verstehen und dieser Turm ein babylonischer wird. Damit das nicht geschieht, damit die Öffentlichkeit miterlebt, wie an allen Ecken und Enden immer weitergebaut wird, und damit der Mauerer im dritten Seitengewölbe von rechts auch weiß, was die Zimmerleute auf dem Dachstuhl tun, und vice versa, dafür braucht es die Wissenschaftspublizistik.

Und hier bauen Peter Illetschko und sein Team mit Leidenschaft mit und dienen der Sache, um die es geht – der Wissenschaft in ihrer Vielfalt und Schönheit. Danke, Peter!"

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Dankesrede von Preisträger Peter Illetschko

"Sehr geehrter Herr Bundesminister,

Lieber Karl Sigmund,

Werte Preisträgerinnen,

Verehrte Kolleginnen und Kollegen,

Liebe Freundinnen und Freunde,

Wissenschaftsjournalismus ist nicht mehr nur Beilage zum Hauptgericht Politik und Wirtschaft, er ist Teil des Hauptgerichts. Und in Zeiten wie diesen ist er das Hauptgericht.

Ich war Ende Jänner gerade am Weg zum Flughafen, ein Wochenende in Berlin war geplant, als ich meiner zukünftigen Frau sagte, ich hätte mich nun doch gegen eine Bewerbung beim Staatspreis Wissenschaftspublizistik entschieden. Mein Drucker hatte den Geist aufgegeben, und wie so oft war ich mit derlei Dingen so spät dran, dass für einen Plan B keine Zeit mehr war. Beim nächsten Mal dann, so kurz vor Ende der Bewerbungsfrist war das für mich die Motivation 2022 früher daran zu denken. Sie fand das schade und ermutigte mich, ihrer Tochter, die in Berlin lebt und arbeitet, alle Unterlagen zu mailen. Sie würde sicher alles ausdrucken und mir Kuverts besorgen, damit ich die Texte dann fristgerecht – es galt das Datum des Poststempels – abschicken könnte. Die Tochter hat mir diesen Gefallen getan – und noch eines draufgesetzt: Als Österreicherin in Deutschland war sie die deutsche Form des Wortes Wissenschafter mittlerweile gewohnt, nämlich Wissenschaftler. Und begann diesen vermeintlichen Tippfehler auszubessern, natürlich nicht ohne mich auf diese ungeheuerlichen Schlampigkeit hinzuweisen.

Schließlich waren zum Glück wieder alle überflüssigen L aus dem Text entfernt. Als ich schon längst nicht mehr an die Bewerbung dachte, rief mich Martha Brinek an und teilte mir die erfreuliche Nachricht vom Gewinn des Staatspreises mit. Nach einem kleinen Scherz, der sicher nicht schlecht war, ich habe ihn nur in meiner Aufregung sofort vergessen. Brauche ich Ihnen erklären, wie erfreut, überrascht und sprachlos ich war? Letzteres ist bekanntlich ein Zustand, den wir Journalisten uns nur selten erlauben sollten. Heute bin ich, wie sie gerade merken, nicht mehr ganz so sprachlos, aber dankbar.

Nicht Gott und der Welt dankbar, so einfach kommen Sie alle hier nicht davon, sondern ganz bestimmten Menschen und Institutionen; dem Wissenschaftsministerium zum Beispiel, weil es trotz und gerade in Zeiten der Corona-Pandemie den Preis vergibt, der ein wichtiges Signal ist für die Bedeutung des Wissenschaftsjournalismus in der Gesellschaft ist. Ich danke der Jury für das Lesen vieler Texte, für das durchschauen zahlreicher Beiträge – wahrlich eine große Aufgabe. Ich danke Karl Sigmund für diese Laudatio, für die er offenkundig wochenlang undercover recherchiert hat. Denn sonst wäre die Getragenheit des Gugelhupfs nicht ans Licht gekommen.

Danke!

Und ich danke den Journalisten und Journalistinnen, die das Medium geprägt haben, dem ich seit einer gefühlten Ewigkeit verbunden bin: dem ehemaligen Chefredakteur Gerfried Sperl, der mir 2003 die Chance gab, Forschung spezial mit zu begründen und zu gestalten. Alexandra Föderl-Schmid, seiner Nachfolgerin, die für viele Ideen offen war und mich 2013 zum Leiter des Ressorts Wissenschaft machte. Den leider schon verstorbenen Otto Ranftl, einer Seele von Mensch, als Chef vom Dienst liebevoll-strenger Hüter der Abgabezeiten. Und schließlich dem gegenwärtigen Chefredakteur Martin Kotynek und seiner für die Wissenschaft zuständigen Stellvertreterin Nana Siebert. Sie haben das umgesetzt, was Föderl-Schmid begonnen hat. Wissenschaftsjournalismus ist nicht mehr nur Beilage zum Hauptgericht Politik und Wirtschaft, er ist Teil des Hauptgerichts. Und in Zeiten wie diesen ist er das Hauptgericht.

Es gibt noch so viele Menschen, die heute meinen Dank erdulden müssen. Natürlich ist auch das Team des Wissenschaftsressorts dabei, mit dem wohl jeder gern zusammenarbeiten würde. Zahlreiche Texte wären ohne Euer Feedback nicht entstanden.

Viele Freunde haben mich in den vergangenen Jahren motiviert, meinen journalistischen Weg weiter zu gehen. Einige von ihnen sind heute da. Danke fürs Kommen. Noch zwei letzte private Bemerkungen: dann werde ich auch nicht sachlicher, versprochen : Ich danke vor allem jener Frau, die mich täglich unterstützt und motiviert, nicht nur beim Abschicken eines Kuverts an das Wissenschaftsministerium. Und Ich danke meinem Vater und meiner Mutter, beide leider schon verstorben, dass sie mir zähneknirschend aber doch den Weg in den Journalismus ermöglicht haben – obwohl sie mir oft sagten, ich sollte doch was Gescheites lernen. Damals, 1982, wollte ich aber unbedingt Anstand und Gerechtigkeit in die Welt bringen, heute hab‘ ich meine Ansprüche keineswegs zurück geschraubt, aber es tut schon auch gut, wenn durch mich einige Menschen merken, wie wichtig Wissenschaft, von Neugier getriebene Forschung, für das Weiterkommen der Menschheit ist.

Fakten gelten scheinbar immer weniger

Es gibt jetzt bitte keinen Grund wehmütig zu werden: Als ich zu schreiben begann, hatte Tim Berners-Lee seine Hypertext-Idee am Kernforschungszentrum Cern noch nicht verwirklicht. Den ersten STANDARD-Text hackte ich also mit dem Ausdruck der Verzweiflung auf eine Schreibmaschine. Etwas anderes als eine gedruckte Form meiner Texte war für einen Printjournalisten nicht vorstellbar. Heute schreiben wir nicht nur für die Online-Ausgabe des STANDARD, sondern treten in Podcasts auf und vielleicht bald auch im Fernsehen.

Wir leben in einer herausfordernden Zeit, in der man unterschiedliche Inhalte in unterschiedlicher Form darbringen muss, um Menschen zu erreichen. Die Voraussetzungen dafür sind denkbar schwierig: Wir stecken in einer der tiefsten Rezessionen seit 1945. Medien haben wirtschaftlich auch ohne Corona schon bessere Zeiten erlebt. Und eines kann ich ihnen sagen: Journalismus in Kurzarbeit ist ungefähr so leicht umsetzbar wie Romane schreiben in einem 9-5-Job.

Wir leben leider auch in einer Zeit, in der Fakten scheinbar immer weniger gelten. Vom angeblich mächtigsten Politiker der Welt, sie wissen schon, der, der Twitter und Cola Light über alles liebt, bis zum kleinsten Hinterhof-Verschwörungstheoretiker wird öffentlich, in Ansprachen, in Internet-Foren Unsinn verbreitet, zum Teil wider besseren Wissens, zum Teil, weil die Wahrnehmung von Fakten eine intellektuell offenbar zu herausfordernde Aufgabe ist.

Paperproduktion und öffentliche Diskussion

Wissenschafter müssen unter diesen Umständen über ein Virus publizieren, von dem wir vor einem Jahr noch nichts wussten. Sie können sich vorstellen, was das bedeutet. Wenn Sie sich nicht sicher sind, wenn sie gar eine Fehleinschätzung abgeben, dann fällt die Meute der Besserwissen über sie her – zumal sie heute mehr denn je, im Übrigen wie der Journalismus, viele Kanäle bespielen müssen. Raus aus der Kultur der Paperproduktion, die von Experten begutachtet wird, rein in die öffentliche Diskussion. Wenn man nun bedenkt, wie sehr die weltweite Diskussionskultur aufgrund von Populisten aller Art gelitten hat, dann kann man sich vorstellen, wie sehr sie unter Beschuss stehen.

Der Wissenschaftsjournalismus hat die Aufgabe einzuordnen, neue spannende Paper zu beschreiben, aber er hat auch eine aufklärende Funktion. Denken wir nur an den Klimawandel oder an die große Bedeutung von Impfungen für die Gesellschaft. Der Wissenschaftsjournalismus muss Zusammenhänge erkennen, Studien über die Wirksamkeit vom Mund-Nasenschutz lesen, analysieren. Er muss aber genauso die Wirkung dieser Verpflichtung auf die Gesellschaft mit Hilfe von Geistes- und Sozialwissenschaftern im Auge halten. Was denken die Menschen auf der Straße? Da schaut es derzeit gar nicht gut aus.

Nie endgültige Ergebnisse

Viele von denen, die den Philanthropen Bill Gates als das Böse unter der Sonne betrachten, die die Erde für flach halten, Verschwörungstheoretiker also, schreien Diktatur, wenn es um den Mund-Nasen-Schutz geht, haben aber kein Problem, würden rechte Demagogen in der Regierungsspitze ihres Landes sitzen.

Von der Wissenschaft wird heute nichts weniger verlangt, als die Welt zu retten. Dazu muss man aber verstehen, dass die Wissenschaft nie endgültige Ergebnisse hat, dass alle Ergebnisse, die sie vorbringt, nur ein Zwischenstand sein können, auf den aufbauend sie zu einem noch besseren Resultat kommen können. Ich habe das größte Vertrauen, dass wir stets davon profitieren werden.

Als Journalist kann ich ihnen versprechen, dass die Apokalypse, die viele herbeireden, noch weit weg ist. Ob wir nun ein paar Wochen früher oder später einen Impfstoff gegen dieses vermaledeite, lebensbedrohliche Virus haben – wir werden ihn haben. Und er wird wirken und ohne relevante Nebenwirkungen sein. Irgendwann wird hoffentlich jeder jemanden kennen, der sich impfen ließ. Und dann sollten wir dieses Jahr 2020 nicht so einfach aus dem Gedächtnis streichen, wie wir Sars, Mers, Zika oder Ebola vergessen haben oder die schreckliche Influenza-Pandemie vor 100 Jahren sondern unser Verhalten – auch gegenüber Umweltressourcen und Natur – grundlegend ändern.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Peter Illetschko"