In den USA ist Vinyl wieder beliebter als es CDs sind.

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Auch in Österreich geht der Verkauf von CDs drastisch zurück.

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Im Jahr 2011 war die Welt der silbernen Scheibe noch einigermaßen in Ordnung. CDs, wiewohl sie schon ihren Zenit überschritten hatten, spülten der österreichischen Musikwirtschaft über 120 Millionen Euro in die Kassen. Damit machten sie den Löwenanteil eines Marktes aus, in dem der Digitalanteil trotz iTunes und MP3-Playern vergleichsweise klein war.

Es war auch das Jahr, in dem der schwedische Musikstreamingdienst Spotify seine Dienste nach Österreich brachte. Es sollte der Startschuss für einen radikalen Wandel des Musikmarktes werden. Und während die kleine Silberscheibe seitdem dramatisch an Bedeutung verlor, gelang ihrer großen Schwester aus Vinyl ein beachtliches Comeback.

Das erste Halbjahr 2020 brachte am US-Musikmarkt ein Novum. Die amerikanische Kundschaft gab nur noch 130 Millionen Dollar für CDs aus, ein neuer Tiefstwert, seit der einstmals omnipräsente Tonträger auf dem Rückzug ist. In Schallplatten hingegen wurden 232 Millionen Dollar investiert. In Österreich liegt die CD im Kräfteverhältnis zwar noch klar vorn, die Tendenz ist aber ähnlich.

Wachsende Nische

Die Rückkehr des Vinyls hat Anfang der 2010er-Jahre eingesetzt, schildert Franz Medwenitsch, Chef des Musikwirtschaftsverbands IFPI Austria, gegenüber dem STANDARD. Vor neun Jahren gaben die Österreicher noch rund eine Million Euro für den Tonträger-Oldie aus. Bis 2017 stieg der Umsatz auf 7,8 Millionen und stabilisierte sich dort.

Im ersten Halbjahr 2020 lag der Marktanteil bei fünf Prozent. "Ein sehr hoher Wert für ein seit Jahrzehnten bestehendes Format", so Medwenitsch. Die zuerst aus Schellack und später aus Vinyl gefertigten Scheiben kamen Anfang des 20. Jahrhunderts auf, wurden aber ab den Sechzigern zuerst von der Kassette und später von der CD verdrängt. Als Liebhabermedium hatten sie weiter Bestand in einer – nun kräftig gewachsenen – Nische.

Ob dieselbe Entwicklung auch die CD durchmachen wird, lässt Medwenitsch offen. Denn sie ist – mit großem Abstand zum restlichen Feld – immerhin die Nummer zwei am Markt, an dessen Pole-Position seit 2018 die Streaminganbieter stehen. Die Onlineservices können das sinkende Interesse an den Scheiben mittlerweile nicht nur kompensieren, sondern treiben auch das Wachstum des Gesamtmarktes an. Zudem sorgten sie für einen Rückgang der Musikpiraterie. Trotz der "Entspannung" bleibe diese aber ein ernstes Problem. Für Österreich schätzt man den Schaden auf fünf Millionen Euro jährlich.

Corona-Pandemie beschleunigt den Absturz

Die Handelsschließungen während des Corona-Lockdowns haben der Silberscheibe von allen Tonträgern am stärksten zugesetzt, sagt der IFPI-Chef. Während bei jüngeren Generationen Streaming dominiert, werden CDs bei mittleren und älteren Altersgruppen immer noch geschätzt. Fans von Schlager und Volksmusik bevorzugen physische Tonträger. Und auch Anhänger etablierter Pop- und Rockbands sowie klassischer Musik hängen noch vermehrt an der CD, erläutert Medwenitsch.

Das traditionelle Musikgeschäft, in das man vorwiegend geht, um LPs und CDs zu kaufen, sei vom Aussterben bedroht. Das sagt Andreas Vogl, Vorsitzender des Fachausschusses Tonträgerhandel in der Wirtschaftskammer und Inhaber eines Geschäftes für Klassik-CDs in Salzburg. Jene eigenständigen Anbieter, die es noch gibt, setzen zusätzlich auf den Vor-Ort-Verkauf bei Konzerten oder Umsatz mit branchenfremden Angeboten. Sie verkaufen nun etwa auch Elektronik oder betreiben, wie Vogl, eine Lotto-Annahmestelle.

Die letzten Dinosaurier

Das reine Tonträgergeschäft rechnet sich schon lange nicht mehr. CDs können längst im Netz oder im Supermarkt erworben werden. Gerade während der Pandemie beobachtet Vogl einen zunehmenden Trend zum Kauf und Musikkonsum im Netz. Der Musikeinzelhandel sei nur noch eine "Liebhaberei", mit der man "mehr schlecht als recht" überlebe. Es gehe nur noch um das Hinauszögern eines absehbaren Endes. Selbst Kundschaft wie Jazz-Hörer, die lange analogen Formaten treu waren, wandert immer mehr ins Internet ab. Einzig klassische Musik verzeichnet aktuell einen Boom auf CD.

"Die Produzenten und die Industrie machen es uns Einzelhändlern teilweise noch möglich weiterzumachen, und die 'Generation CD' will das Produkt Musik auch nach wie vor haptisch. Doch vielleicht schon in fünf Jahren wird man wie bei der Glühbirne sagen: aus", resümiert Vogl. "Alles in allem sind wir Händler die letzten Dinosaurier einer Ära." (Georg Pichler, 5.10.2020)