Echte Wiener Gründerzeithäuser mit geschmückten Fassaden und prachtvollen Entrees sind begehrt – nicht nur bei Mietern, sondern auch bei vorrangig österreichischen Investoren.

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Die Wiener Zinshäuser haben viel erlebt. Zwei Weltkriege, wirtschaftlich gute und schlechte Zeiten, gesellschaftliche Umwälzungen – und nun also auch die Corona-Pandemie, die sich auch auf Verkäufe der alten Häuser auswirkt: Diese sind in Wien im ersten Halbjahr ordentlich zurückgegangen, wie aus einem jüngst präsentierten Marktbericht von Otto Immobilien hervorgeht.

Während in den letzten Jahren in diesem Segment von einem Rekord zum nächsten gelaufen wurde, ist das Transaktionsvolumen im ersten Halbjahr auf die Hälfte des Vorjahres gesunken. 169 Häuser wechselten die Besitzer, was einem Rückgang von 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht.

Dennoch: Betongold boomt besonders in Krisenzeiten. Daher rechnen Experten nun auch mit einem stärkeren zweiten Halbjahr, weil viele Deals verschoben wurden. Letztendlich könnte sich das Krisenjahr noch gut entwickeln. Bei Otto Immobilien geht man bis Jahresende von Verkäufen im Gesamtwert von 1,2 Milliarden Euro aus. 2019 waren es fast 1,6 Milliarden Euro.

Eine Verkaufsanfrage pro Woche

"Das Wiener Zinshaus als sichere Wertanlage wird sehr geschätzt", sagte Wohnimmobilien-Experte Buxbaum. Er erzählte von einem Eckzinshaus im neunten Bezirk, das derzeit zu haben ist – und bei dem man von Investoren "nahezu überrannt" werde. Besonders begehrt sind Zinshäuser von Privatbesitzern, von denen nur wenige auf den Markt kämen. Das führe dazu, dass dieses Segment von manchen Unternehmen regelrecht abgegrast werde.

Eine mehr oder weniger direkt formulierte Verkaufsanfrage trudle bei Zinshausbesitzern im Schnitt pro Woche schon ein, berichtete Eugen Otto, Geschäftsführer von Otto Immobilien. Sogar Prämien würden Eigentümern im Falle eines Verkaufs von manchen dieser Unternehmen in Aussicht gestellt.

Die Corona-Krise habe zudem den einen oder anderen Schnäppchenjäger auf den Plan gerufen: "Es hat keine zwei Tage gedauert, bis mich ein Investor anrief und sagte: Ich bin bereit für ein Schnäppchen." Die gab es in Wien aber auch in Zeiten des Lockdowns nicht. Wer heute ein Zinshaus in durchschnittlichem Zustand kaufen will, muss dafür mit Quadratmeterpreisen von mindestens 1770 Euro rechnen.

Zurück zum Ursprung

Da sind Preise, die den einen oder anderen verwundern. Denn die erzielbare Rendite ist heute schon überschaubar. Daher sind am Zinshausmarkt auch so gut wie keine ausländischen Investoren unterwegs. "Der Wert, den ein Österreicher in einem Zinshaus sieht, ist ein anderer", so Buxbaum.

Noch dazu, weil die Zahl der echten Zinshäuser sinkt. 13.857 gibt es aktuell noch, um 43 weniger als noch im Vorjahr. Meist fällt ein Gebäude aus der Wertung, weil die Mietwohnungen als Eigentumswohnungen abverkauft werden, aber auch Abrisse und Nutzungsänderungen kommen vor.

Allerdings könnte nun eine Trendumkehr einsetzen. In den letzten Jahren wurde manches Zinshaus zum Hotel. Diese sind von der Corona-Krise nun aber besonders betroffen. Daher könnte das eine oder andere Hotel wieder zum Zinshaus werden. Ein echter Trend sei zwar noch nicht bemerkbar, so Buxbaum: "Aber darüber machen sich einige Leute gerade Gedanken." (Franziska Zoidl, 1.10.2020)