Der Wiener Umweltmediziner Hans-Peter Hutter wohnt im zweiten Bezirk. Für manche Möbel musste er einst tief in die Tasche greifen, andere hat er aus sentimentalen Gründen gekauft. So wie auch sein Haustier.

"In der Leopoldstadt wohne ich schon fast mein ganzes Leben. Nur ganz kurz habe ich im dritten Bezirk gewohnt. Aufgewachsen bin ich in einem Haus hier ums Eck, dann hab ich in einer WG im Zweiten gewohnt. Stets mit eigenem Garten, nämlich dem Prater und der Hauptallee, zum Fußballspielen, Radfahren und später Skateboarden. Aus dem Zweiten wegziehen? Das kann ich mir nicht vorstellen! In dieses Haus bin ich 1990 eingezogen, zuerst in eine 33-Quadratmeter-Wohnung, zehn Jahre später in diese 65 Quadratmeter große Altbauwohnung.

Hans-Peter Hutter wohnte erst nebenan, bevor diese Wohnung frei wurde.
Foto: Lisi Specht

Ich bin mit Secondhandmöbeln und -einrichtung aufgewachsen, während der Studentenzeit war Geld ja Mangelware. Aber als ich hier einzog, dachte ich: ‚Aus! Ich kann dieses Ikea-mäßige Kiefermobiliar nicht mehr sehen.‘ Ich beschloss, mir ein schönes, gesundes Bett zu kaufen. Immerhin verbringt man durchschnittlich acht Stunden pro Tag – und das viele Tage im Jahr – darin. Das wollte ich mir leisten und bin losgezogen.

Nach dem Kauf meines schnittigen Vollholzbettes kam ein passender Kasten dazu, dann eine Kommode. Und dann war ich quasi auf Einkaufstour, was damals nur mit einem Kredit möglich war. Trotz Einrichtungsenthusiasmus wollte ich die Wohnung aber nicht vollräumen. Das Interieur war nicht billig, dafür zeitlos. Mir gefällt’s nach rund zwei Jahrzehnten immer noch. Aber mir geht es nicht nur um Ästhetik. Immerhin hängt vom Wohnklima auch Wohlbefinden und Erholung ab. Als Umweltmediziner mit Forschungsfokus Innenraumklimatologie ist klar, dass man auf Qualität schaut. Das war mir auch bei der Auswahl von Lacken, Klebern und Wandfarben wichtig.

"Das Interieur war nicht billig, dafür zeitlos", sagt Hans-Peter Hutter. Das Kastl aus dem Stadionbad (im Bild rechts) ist vor einigen Jahren noch dazugekommen.
Fotos: Lisi Specht

Einige Kleinmöbel sind auch meiner Sentimentalität geschuldet. Im Vorzimmer steht zum Beispiel ein Kinosessel aus einem aufgelassenen Kino. Schon als Kind bin ich am liebsten in der siebten Reihe Mitte gesessen. Genau diesen Sessel habe ich erstanden.

Oder noch so ein Spleen: In den 1970er-Jahren sind bei meinen Tanten diese großen Porzellanhunde oder -tiger herumgestanden. Für mich: Kitsch pur. 1995 hab ich mir plötzlich eingebildet, dass eine solche Figur in meinen Wohnraum muss. Ich hab mich auf die Suche gemacht und bin auf dem Mexikoplatz fündig geworden. Seither ist der schwarze Panther mein – einziges – Haustier. Er ist pflegeleicht.

Die Einrichtungsaktivitäten sind für mich abgeschlossen. Das Einzige, was vor einigen Jahren noch dazugekommen ist, ist ein Kastl aus dem Stadionbad. Ich hatte dort viele Jahre das Saison-Kästchen Nummer 1405. Als der Trakt renoviert wurde, konnte ich den Verantwortlichen überreden, dass ich mir mein Türl mit nach Hause nehmen darf. Kurz bevor die Bagger gekommen sind, durfte ich es wehmütig abmontieren. Der Tischler meines Vertrauens hat den Korpus nachgebaut und mir so geholfen, meine Spompanadeln auszuleben.

Den schwarzen Panther hat Hans-Peter Hutter auf dem Mexikoplatz gefunden.
Fotos: Lisi Specht

Natürlich hat sich seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie mein Alltag verändert. Klar habe ich rund um die Uhr viel zu tun. Aber ganz ehrlich: Das ist lächerlich gegen die Schicksale, die sich so abspielen. Menschen, die schwer an Covid-19 erkranken. Familien, die auf 45 Quadratmetern mit zwei Kindern Homeschooling machen müssen oder wo Mutter oder Vater in Kurzarbeit sind und nicht wissen, wie es weitergehen soll.

Ich sehe die Wohnung als dritte Haut. Wir sind nicht gewohnt, darüber nachzudenken, dass wir ein Dach über unserem Kopf haben. In vielen Teilen der Welt ist das nicht der Fall. Und man darf nicht vergessen, dass es selbst in unserer Gesellschaft enorme Unterschiede beim Wohnen gibt. Als Physikatsarzt habe ich bei Ortsaugenscheinen furchtbarste, beengte Wohnverhältnisse gesehen, mit Überbelegung, Wandfeuchtigkeit und fingerdickem Schimmel. Es braucht mehr politisches Engagement, die Ungleichheiten beim Wohnen zu minimieren – auch weil durch solche Wohnverhältnisse das Krankheitsrisiko steigt.

Wovon ich träume? Von endlosen Wellen zum Surfen. Davon, mit wenigen Gebrechen alt zu werden und zufrieden zu sein mit dem, was man hat. Wobei Letzteres weniger ein Traum ist. Das ist für mich eh so. Ich betrete meine Wohnung und denke nach all den vielen Jahren immer noch: Mir gefällt das!" (5.10.2020)