Sonnenstrahlen sind seltene Gäste auf Wandls neuem Album.

Foto: Maria Oikonomou

Das Beste kommt zum Schluss, aber man muss es sich erarbeiten – wie katholisch! Das große Finale von Lukas Wandls zweitem Album Womb heißt passenderweise Requiem (Erkennung). Gesampelte Kirchenglocken läuten es ein. Dann jauchzt und frohlockt Wandl, und irgendwie hat das trotz der großen Traurigkeit, die nicht nur diesem Track, sondern dem ganzen 25-minütigen Werk zugrunde liegt, etwas Kathartisches. Als würde man die Tränen einfach laufen lassen, hysterisch plärren und sich dabei doch versöhnen – vor allem mit sich selbst.

Es liegt nahe, dass diese Versöhnung, dieses Verzeihen, auf die das zweite Album des in Wien lebenden Mittzwanzigers hinausläuft, auch etwas mit der Mama, entweder der eigenen oder der Mutter an sich, zu tun hat. Wie gesagt, den Titel Womb wird es nicht zum Spaß tragen, eine Nummer heißt gleich überhaupt Mommies. Schlüsseltrack, wenn man so will, ist sicherlich das ganz fabelhafte Under My Skin, das sich einmal in einer Live-, einmal in einer Studioversion auf dem kleinen Album befindet.

Wandl

Nicht nur Wandls Vocals sind vom Wunsch nach Liebe und Bestätigung dominiert und haben etwas ganz Ursprüngliches, tatsächlich klingt das Album an manchen Stellen so, als würde man es sich in einem Fruchtwasserbad im Mutterleib liegend anhören. Die Musik, die im harschen Draußen spielt, dringt nur ganz gedämpft und weich an einen heran – trotzdem lässt sich schon ahnen, dass das Leben kein Spaziergang werden wird.

Der 25-jährige Lukas Wandl ist ja für seine – Verzeihung für das schreckliche Wort – Soundlandschaften bekannt, die auch bereits sein erstes Album It’s All Good Tho bestimmten. Als er es 2017 herausbrachte, hatte man von Wandl etwas Poppigeres erwartet, doch was dann kam, war bis auf einige Ausreißer durchaus blümerant ausgefallen. Wandl wollte der Erwartungshaltung und dem kleinen Hype um ihn, den er sich als Produzent flotter Hip-Hop-Beats für Kollegen wie Crack Ignaz erworben hatte, etwas Nachhaltigeres, Ehrlicheres und Komplexeres entgegensetzen. Das freute nicht alle, für die eine Bassdrum auf der Eins und eine Snare auf der Zwei zu sein hat.

Politisches Statement

Nachdem sich Wandl mit seinem Debüt also ohnehin schon in nischigere Gefilde geschossen hatte, wo das Album sehr positiv aufgenommen wurde, konnte er sich auf dem Zweitling noch weiter in die Tiefe wagen. Den Lockdown und die damit einhergehende Isolation hört man Womb jedenfalls deutlich an. Herbst und Winter drohen lang zu dauern, ein weiterer Lockdown schwebt wie ein Damoklesschwert über unserer Gesellschaft, die sich dafür zumindest keinen passenderen Soundtrack wünschen könnte.

Wandl

Wandl stellte sein Album, das am 2. Oktober offiziell erscheinen wird, bereits am Mittwoch via Bandcamp zum Download bereit. Die so generierten Einnahmen will der junge Musiker an Ärzte ohne Grenzen spenden, "um den armen Menschen, die in Moria festsitzen, zu helfen", wie er auf Facebook schreibt. Er schäme sich für die Regierung und ihren Unwillen, Position zu beziehen.

Ein schönes Statement von einem, der oft vom Kampf gegen die eigenen Dämonen überbeansprucht scheint. Wärme brauchen alle. (Amira Ben Saoud, 2.10.2020)