Auch Corona-Not macht erfinderisch, insbesondere die Politik. In einer neuen Form staatlichen Dirigismus werden neuerdings nicht nur Auffangnetze für Arbeitnehmer und Betriebe geknüpft, sondern auch betriebswirtschaftliche Entscheidungen getroffen. Einmal ist es die Zuckerfabrik der Agrana, die nicht geschlossen werden darf, dann wird der Novartis-Standort in Kundl mit hohen Subventionen abgesichert, Semperit der Verkauf der Medizinsparte erschwert, und nun soll der wackelnde MAN-Standort in Steyr gerettet werden. Die ÖVP-geführte Regierung ist im Olymp des Interventionismus angekommen.

Der wackelnde MAN-Standort in Steyr soll gerettet werden.
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Eines muss man Margarete Schramböck, Elisabeth Köstinger und anderen türkisen Kabinettsmitgliedern lassen: Nie war der Ruf nach dem Staat so groß wie seit dem Corona-Ausbruch. Nie der Handlungsradius der Politik so groß. Dieser Spielraum wird gern genützt, was freilich einige Fragen aufwirft: Welche Rettungsaktion ist volkswirtschaftlich gerechtfertigt und auch nachhaltig? Der Einsatz politischen Kleingelds kann auf Dauer nämlich zu ziemlich hohen Rechnungen für den Steuerzahler führen, die für ihre Leistungen nichts erhalten. Das ist beispielsweise der Fall, wenn ein kaputter Betrieb auch mit Subventionen nicht am Leben erhalten werden kann. Populistische Großzügigkeit wird da nicht nur zum Milliardengrab, sondern verhindert auch die rasche Umschulung von Arbeitnehmern und Ansiedlung zukunftsträchtiger Betriebe.

Bei der Penicillinherstellung in Tirol – der einzigen in Europa – sticht die Bedeutung für Versorgung und Forschung heraus. In der Zuckerindustrie gilt das nicht, zumal das nächste Agrana-Werk nicht weit entfernt liegt. Bei der von Überkapazitäten geprägten Lkw-Herstellung, die schon vor Corona in Gefahr war, darf der Sinn eines künstlichen Komas zumindest bezweifelt werden. (Andreas Schnauder, 1.10.2020)