Marcel Duchamp lässt grüßen: Die US-amerikanische Künstlerin Sherrie Levine fetischisiert Kunstikonen, macht sie zu Waren und stellt so die Kunstwelt infrage.
Foto: Michal Dziewulski

Was ist denn hier passiert? Zerbrochene Eierschalen liegen am Boden, manche kleben noch an der Wand. Um sie herum gelbe Flecken, Spritzer und dottrige Rinnsale. Ja, hier wurden zwei Hühnereier an die Museumswand geworfen. Mit voller Wucht!

Als Rafael Jablonka die Arbeit des deutschen Künstlers Andreas Slominski das erste Mal sah, war er von ihrer Radikalität derart begeistert, dass er den Künstler in seine damalige Kölner Galerie holte. Dasselbe tat der 1952 in Polen geborene Kunstsammler mit heutigen Kunstgrößen wie Damian Hirst oder Mike Kelley. Er sammelte ihre Werke, förderte sie und machte sie bekannt.

Nun sind ihre Werke gemeinsam mit jenen von zwölf anderen Künstlern und Künstlerinnen aus seiner Sammlung (wovon er die meisten auch als Galerist vertrat) in der umfassenden Ausstellung My Generation Die Sammlung Jablonka in der Albertina zu sehen. So auch Slominskis Eier.

Gruseliges Objekt: Die aus Stofftieren zusammengenähte "Frankenstein"-Puppe von Mike Kelley.
Foto: Mike Kelley / Bildrecht, Wien, 2020

Ein bequemer Deal

Zwar bezieht sich der Titel auch auf den The-Who-Song, der auf die mit Traditionen brechenden Kunstwerke hinweisen soll, ist aber ganz direkt auf die Generation bezogen: Alle in der Schau gezeigten Künstler und Künstlerinnen (bis auf Hirst) sind so wie Jablonka selbst um den 40er-Jahren geboren worden.

Dass Albertina-Generaldirektor Klaus Albrecht Schröder ebenfalls in diese Alterskohorte fällt, könnte vielleicht auch ein Grund dafür sein, dass sich die beiden Herren gut verstehen und vergangenes Jahr ins Geschäft kamen: Jablonka wollte einen Teil seiner Sammlung unterbringen, die Albertina – stets um exponentielles Wachstum bemüht – bot sich in Wien, nachdem Jablonka in Deutschland und auch Tirol niemanden gefunden hatte, als idealer Ort an. Ein bequemer Deal für den Sammler.

Massive Muster-Leinwände von Philip Taaffe.
Foto: Philip Taaffe

Etwa 420 Werke gingen 2019 in einer Stiftungskonstruktion in die Obhut der Albertina. Darunter bedeutende Werke der US-amerikanischen und deutschen Kunst der 1980er-Jahre sowie Werke von Andy Warhol und dem japanischen Fotografen Nobuyoshi Araki (220 Arbeiten!).

Was hier aber so fix klingt, ist es nicht: Die Dauerleihgabe läuft vorerst bis 2026. Jablonka sieht das als "Probe". Wenn sie nicht bestanden wird, kann er die Sammlung danach einfach wieder abziehen.

Die Pläne, die von Jablonka als Ausstellungshaus genutzte Böhm Chapel bei Köln ebenfalls in die Stiftung einzubringen und eventuell als Albertina-Dependance zu bespielen, seien zwar nicht vom Tisch, aber aufgrund der aktuellen Lage, gebe es hier keine neuen Entwicklungen, so Schröder. "Man kann nur hoffen", kommentiert Jablonka.

"My Generation": Auch Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder gehört dazu. Hier (mit Hut) vor "Corrida in Ronda No. 6" von Eric Fischl.
Foto: eSeL

Skulptur als Star

Kuratiert hat der Sammler gemeinsam mit Elsy Lahner. Auf zwei Etagen werden die einzelnen Künstlerpositionen ganz typisch für das Haus in separaten Räumen gezeigt. Ähnlich mehreren Mini-Retrospektiven werden nacheinander Schlaglichter auf das jeweilige Schaffen geworfen. Zwar ist diese Aufteilung nicht wahnsinnig innovativ, ermöglicht aber die kompakte Erkundung der unterschiedlichen Werke der Künstlerinnen und Künstler:

Massive Musterleinwände von Philip Taaffe, intime Nacktszenen bei Eric Fischl und herrlich kritische Appropriation-Art von Sherrie Levine. In den glänzenden Wölbungen ihres Brunnen, der auf Duchamps Ready-made anspielt, spiegeln sich all die anderen Werke wider. Mehr Warenfetisch geht nicht.

Das brachiale Gebälk "Totes Bein" von Richard Deacon nimmt einen ganzen Raum für sich sein.

Auffallend an der Schau ist die prominente Inszenierung der skulpturalen Werke: Nicht nur das brachiale Gebälk Totes Bein von Richard Deacon oder Slominskis Fallen-Objekte nehmen ganze Räume ein, sogar eine gesamte Galerie wird hier der Frage "Was macht die Skulptur eigentlich zur Skulptur?" gewidmet.

An einem Pferdegatter von Cady Noland vorbei betäubt zuerst ein Zischen, das aus Damian Hirsts Installation entweicht – zwei Tischtennisbälle werden in die Luft geblasen –, bis man sich vor Mike Kelleys aus Stofftieren zusammengenähten Frankenstein-Puppe erschreckt. Die immersive Rauminstallation Kandor des Künstlers in der Pfeilerhalle bildet auch das finale Highlight: eine Mischung aus Abenteuerspielplatz, experimentellem Labor und Comic. Hier passiert einiges! (Katharina Rustler, 2.10.2020)