Radikale Arbeitsweisen: 1970 ließ sich Valie Export öffentlich ein Strumpfband tätowieren – und entlarvte damit die Sexualisierung der Frau durch den männlichen Blick.
Foto: Valie Export / Bildrecht Wien, 2020

Die Filmaufnahme zeigt von einem Frauengesicht nur die Augen. Zwinkern sie uns zu, oder blinzeln sie nur irritiert? Die Kamera rückt immer näher, aber kaum, dass sie Fahrt aufgenommen hat, ist die Sequenz auch schon wieder vorbei. Als Selbstportrait mit Augen betitelte Valie Export 1970 den Kurzfilm, der nun im Linzer Lentos Museum zu sehen ist.

Bereits im Mai hat die Künstlerin ihren 80. Geburtstag gefeiert, aber die für damals geplante Schau Hommage à Valie Export musste auf den Herbst verschoben werden. Die Bezeichnung "Hommage" ist ein wenig irreführend, denn es werden dort keine huldigenden Arbeiten anderer Künstlerinnen oder Künstler gezeigt. Vielmehr verbeugt sich das Lentos mit einer Werkauswahl vor der Jubilarin.

Amazone ohne Hose

Exports Œuvre durchziehen zwei Strömungen: Die eine brodelt hitzig-kämpferisch, die andere wirkt kühl und analytisch. Die feministische Kunst verdankt der Künstlerin Ikonen des Aufbegehrens. Am meisten Resonanz erntete sie freilich mit forschen Auftritten wie in Aktionshose: Genitalpanik. Die Fotoinszenierung als Amazone mit zwischen den Beinen aufgeschnittener Hose fehlt auch in der jetzigen Schau nicht.

Die Kuratorin Sabine Folie trägt jedoch der Mehrzahl konzeptueller Arbeiten Rechnung. Das heißt nicht, dass die Leiterin des 2017 eröffneten Valie Export Centers nur Kopfgeburten ausgesucht hat. Vielmehr soll der Körper in "seiner Verbindung zu Technologien, Maschinen und Prothesen" und auch innerhalb der Institutionen gezeigt werden.

Im Sprung: Die Philosophie vom Kopf auf die Füße stellen.
Foto: Reinhard Haider / VALIE EXPORT / Bildrecht Wien, 2020

Die Apparate, das waren für Export schon früh die Kameras. Immer wieder hinterfragte sie die Medien und die Darstellungen, die sie von der allgemeinen Wirklichkeit und von den Geschlechtern im Speziellen erzeugen. Anschaulich gelingt ihr das mit der dreiteiligen Fotoarbeit Ontologischer Sprung von 1974.

Mit der Ontologie spielt der Werktitel auf metaphysische Fragen wie "Was ist die Existenz?" an. Aber die Aufnahmen zeigen nichts als Füße mit rotem Nagellack. Die Künstlerin hat diese im Sand abgelichtet, wobei sie auf den Schwarz-Weiß-Fotos ihrer Füße steht. Man müsse die Philosophie vom Kopf auf die Füße stellen, forderte der Marxismus. Exports "Sprung" lässt an dieses Zitat denken und übersetzt es auf die Ebene der Repräsentation.

In etlichen der gezeigten Fotografien und Skulpturen verschmelzen Körper und Architektur, wie in der Serie Körperkonfigurationen, wo sie sich an Häuserecken oder Bordsteinkurven schmiegt. Die stets an technischen Innovationen interessierte Künstlerin verwendete dafür bereits 1989 digitale Bildbearbeitung. Weniger bekannt ist daraus die Reihe Stand up. Sit down. So neu die Technologie, so uralt das Drama der Frau zwischen Unterdrückung und Aufstand.

"Körperkonfigurationen": Angeschmiegt an Häuserecken und Bordsteinkurven.
Foto: Valie Export / Bildrecht Wien, 2020

Fummeln gegen Coupons

Die Ausstellung füllt nur zwei Säle, wohl weil eine größere Personale bereits 2017/18 zu sehen war. Über die Wände und Decken ziehen sich Schriftbänder mit einem Text der Künstlerin, sie wickeln die Schau quasi ein. Besser lesbar sind die Wörter in den großen Augen der Fotoserie Der Blick des Blickes. Die Zitate auf poststrukturalistischer Theorie bleiben zwar Stückwerk, aber es geht klar um die ideologische Zurichtung des Sehens.

In einer Ecke schert die Ausstellung aus ihrem Schwarz-Weiß-Duktus aus und präsentiert den knallbunten Kurzfilm Ein perfektes Paar oder die Unzucht wechselt ihre Haut von 1986."Gewinnen Sie Traumreisen in meinen Körper!", ködert Susanne Widl, die heutige Café-Korb-Besitzerin, als toupierte Eightiesbraut. Wer Coupons mitbringt, darf fummeln.

Der schrill-komische Zwölfminüter kreist um Reklame, Körperkult und Käuflichkeit; sogar Elfriede Jelinek hat einen kurzen Auftritt. Wir seien doch alle nur "unbezahlte Statisten eines endlosen Werbespots", weiß ein Bodybuilder, der die Sponsorenlabels direkt auf den Muckis trägt – ein visionärer Spruch für das Social-Media-Zeitalter allemal. (Nicole Scheyerer, 3.10.2020)