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Zu beobachten, wie das Wasser auf alle Seiten spritzt, wie sich der Schlamm mit dem Wasser vermischt und sich die Pfütze nach einer kurzen Pause wieder beruhigt, das ist Lernen. Spielen ist Lernen.

Foto: Getty Images / Ryan J. Lane

Mehrere Kinder, die in engen, beheizten Räumen spielen? Das ist angesichts der derzeit herrschenden Pandemie wohl keine gute Idee. Das Motto für diesen Herbst und Winter lautet deswegen: Draußen spielen, bei jedem Wetter. Denn abgesehen davon, dass im Freien ein Mindestabstand viel besser eingehalten werden kann als in Innenräumen, steigert Bewegung im Freien unser Wohlbefinden – und stärkt damit das Immunsystem.

Die WHO warnt, dass mehr als zwei Drittel aller Kinder die Empfehlung von mindestens 60 Minuten Frischluft pro Tag nicht erreichen, was die Ausbildung diverser Zivilisationskrankheiten begünstigt. Damit verbringen unzählige Kinder weniger Zeit draußen, als es Gefängnisinsassen tun.

Dabei ist es so einfach: Fußball, Klettern, Seilspringen, Abfangen, Verstecken. All das lässt sich wunderbar an der frischen Luft spielen. Am besten jedoch packt man die Kinder warm ein, und ab geht es in den nächstgelegenen Wald oder Park. Einmal weg von den 08/15-Spielplätzen, wie wir sie kennen, mit Schaukeln, Rutschen und Sandkasten. Denn diese sind, anders als man vermuten mag, nicht unbedingt der ideale Ort, um den kindlichen Spieltrieb auszuleben.

Spielplatz Natur

Das Problem: Spielplätze geben den Kindern bereits vor, wie sie zu spielen haben. Da bleibt wenig Platz für Kreativität und Vielfalt. Mehr dazu verrät die Entwicklungsneurowissenschafterin Nicole Strüber im Interview.

Dass Kinder ein angeborenes Interesse an der Natur haben und automatisch mit ihr spielen, erkennt man spätestens dann, wenn Kleinkinder mit ihren Gummistiefeln bewaffnet und Freudestrahlen im Gesicht in Gatschlacken springen.

Zu beobachten, wie das Wasser auf alle Seiten spritzt, wie sich der Schlamm mit dem Wasser vermischt und sich die Pfütze nach einer kurzen Pause wieder beruhigt, das ist Lernen. Spielen ist Lernen. Manchmal sind es aber auch nur herumliegende Baumstämme am Wegrand, völlig unscheinbar, die Kinder zu einem Abenteuer einladen. Sie können ein Kletterparadies sein, eine Möglichkeit, das Balancieren zu üben.

Fakt ist: Nirgendwo sonst haben Kinder und Erwachsene die Möglichkeit, mit allen Sinnen so aktiv zu sein, wie in der Natur. Blätter sammeln, Rinden berühren, Tiere beobachten, das Geräusch vom Wind in den Baumkronen, eiskaltes Wasser spüren, Sonne im Gesicht und sich körperlich herausfordern. Dreckige Hände und Freiheit um die Nase. Psychologie, Pädagogik und Neurowissenschaften sind sich einig: Das spielerische Entdecken der Umwelt wirkt sich positiv auf Kreativität, Motorik und Psyche aus. "Weniger Bildschirm, mehr Frischluft" ist das Gebot unserer Zeit.

Allergien vorbeugen

Zudem hat Covid eine neue Herausforderung gebracht: Wir leben ohnehin in einer keimreduzierten Welt. Seit der Pandemie in diesem Jahr wird Kindern aber so eindrücklich wie noch nie zuvor das Händewaschen und Desinfizieren beigebracht. Um Covid zu vermeiden, ist das natürlich sinnvoll.

Ständig und alles zu desinfizieren und mit antibakteriellen Seifen zu waschen kann aber auch dazu führen, dass unser Körper irgendwann auf harmlose Umweltbakterien allergisch reagiert. Etwa die Hälfte aller Menschen in Europa leidet an irgendeiner Form von Allergie.

Es ist kein Geheimnis, dass die starke Zunahme der Allergien parallel zur Verstädterung der Gesellschaft lief. Schon in den 80er-Jahren gab es die sogenannten Bauernhofstudien, die belegen, dass Kinder, die auf einem Bauernhof aufwachsen, nur halb so oft Heuschnupfen oder Asthma entwickeln. Der Grund dafür sind die zahlreichen Keime, mit denen Bauernhofkinder schon früh in Kontakt kommen. Das sind Bakterien, Pilze, Parasiten und womöglich auch Viren.

Später ist das Immunsystem fähig, etwa Pollen, Tierhaare oder Lebensmittel als nicht bedrohlich zu erkennen. Auf diese Weise wird Allergien vorgebeugt. So konnten die Wissenschafter feststellen, dass Vier- bis Achtjährige, die auf einem Bauernhof leben, ein besonders starkes Immunsystem haben. Kinder, die also häufiger draußen in der Natur spielen und sich auch einmal dreckig machen dürfen, haben ein stärkeres Immunsystem und leiden seltener unter Allergien oder Asthma.

Das Problem sind die Erwachsenen

Das Problem ist nur: Häufig sind es die Erwachsenen selbst, die gar nicht mehr wissen, wie oder was man in der freien Natur spielt.

Der Verein Österreichs Wanderdörfer (ÖWD) hat dieses Phänomen erkannt und gehandelt. Mit seiner Initiative "Spielend Wandern. In der Natur. Mit der Natur" möchte er die Bevölkerung wieder für das Spielen in der Natur sensibilisieren. Auf der Website www.spielend-wandern.at finden sich die größte Naturspiele-Sammlung im deutschsprachigen Raum und eine Auswahl an Naturspielplätzen in ganz Österreich.

"Durch die aktuellen Herausforderungen rund um Covid-19 hat die Kampagne zusätzliche Relevanz bekommen", sagt ÖWD-Geschäftsführer Ulrich Andres. "Wir sind überzeugt, dass gerade in Zeiten von Social Distancing und Infektionsrisiken in Ballungszentren die Bewegung in der freien Natur die beste Freizeitgestaltung für Kinder und Erwachsene ist." (Nadja Kupsa, 3.10.2020)