Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke, li.) finden Klaus Keller (Rolf Becker) an seinem 90. Geburtstag tot auf. Um seinen Hals hängt eine seltsame Nachricht.

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"Ich war zu feige, für Deutschland zu kämpfen." Ein Schild mit diesem Satz hängt um den Hals des Toten. 90 Jahre alt ist er gerade geworden, ein erfolgreicher Berliner Bauunternehmer war er. Einer, der sein Leben lang die Aussöhnung mit Israel suchte.

"Rechtsradikaler Anschlag. Staatsschutz. Fertig." So lautet der Befund von Kommissarin Nina Rubin (Meret Becker) im Sonntags-Tatort Ein paar Worte nach Mitternacht. Aber so einfach werden sie und ihr Kollege Robert Karow (Mark Waschke) den Fall doch nicht los, sondern sie lernen die Familie Keller kennen.

Selbige bietet – weil die Deutschen an diesem Wochenende 30 Jahre Wiedervereinigung feiern (oder an sich vorbeigehen lassen) – 75 Jahre Historie in äußerst verdichteter Form.

Großes Buffet zur Einheitsfeier

Mitgliedschaft bei der Hitlerjugend, Verrat von Juden, Stasi-Karriere und Wende-Verlierer im Osten, Reichtum inclusive Pool im Westen, völkische Gesinnung im wiedervereinigten Deutschland. Es ist alles da am großen Buffet zur Einheitsfeier, bloß der Schlenker zur RAF fehlt noch.

Garniert wird das ganze mit Aufnahmen von Holocaust-Mahnmal und Mauer. Wer jetzt denkt, das sei ein bisserl viel, liegt nicht falsch. Erstaunlicherweise ist aber ein guter und spannender Krimi daraus geworden.

Ossi Karow und Wessi Rubin lassen sich von der historischen Last nicht erdrücken, sondern flitzen mit flotten Sprüchen durch die (Familien-)Geschichte und ihre rasanten Wendungen.

Unaufdringlich hat diese Geschichtsstunde auch noch eine Mahnung für die TV-Gemeinde: Unter der NS-Zeit kann es niemals einen Schlussstrich geben. (Birgit Baumann, 3.10.2020)