Foto: Edition Mono

Michael Marrak: "Anima ex Machina"

Ist das Budget vor Weihnachten knapp? Na, dann nicht an bewusstseinserweiternde Drogen verschwenden – die Trips, auf die uns Michael Marrak in den Erzählungen aus seinem "Kanon"-Universum schickt, sind ohnehin fantasievoller (und halten auch länger an). Betreten wir eine ferne Zukunft, in der Maschinen nicht nur eine Seele, sondern auch einen exzentrischen Charakter haben, und Menschen in Situationen geraten, die an Stanislaw Lems surrealste Momente erinnern.

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Foto: Suhrkamp

Agustina Bazterrica: "Wie die Schweine"

Das erste von mehreren kapitalismuskritischen Büchern in dieser Rundschau ist zugleich das härteste: Ein Virus hat sämtliche Nutztiere verseucht, der Appetit auf Fleisch ist den Menschen aber geblieben. Die logische Konsequenz: staatlich legitimierter Kannibalismus. Mit erbarmungsloser Nüchternheit beschreibt Agustina Bazterrica alle Aspekte eines Systems, das jeden auf die Stufe eines Tiers degradiert – erst die Opfer, dann die Täter.

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Foto: Mythic Island Press

Linda Nagata: "Pacific Storm"

Während ein Hurrikan auf Hawaii zurast, braut sich dort noch ein ganz anderer Sturm zusammen: Die verschuldete US-Regierung hat nämlich beschlossen, die Inseln an China zu verpachten. Der Widerstand, der sich gegen diesen Plan regt, wird zum Ausgangspunkt eines Thrillers aus der nahen Zukunft, in dem Linda Nagata wieder einmal jede Menge Überwachungstechnologie, Schießeisen und Paranoia zum Einsatz bringt.

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Foto: Blanvalet

Robert Jackson Bennett: "Schlüssel der Magie"

Kann ein Roman gleichzeitig Fantasy und Cyberpunk sein? Robert Jackson Bennett, ein Spezialist für gewitzte Modernisierungen des Fantasy-Genres, macht's möglich. Und zwar mit einem Magiesystem, das zwar übernatürlichen Charakter hat – aber dennoch so eindeutig auf Informationsverarbeitung beruht, dass man darin vergnügt die zauberischen Entsprechungen von Codes, Programmierern und Künstlichen Intelligenzen erkennt.

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Foto: Polarise

Uwe Post: "e-tot"

Das Leben nach dem Tod kann vieles sein: Angenehm. Erschreckend. Oder einfach nur entsetzlich banal. Vor allem aber ist es im Abonnement erhältlich, seit man eine Möglichkeit entdeckt hat, das menschliche Bewusstsein einzuscannen und in den virtuellen Raum zu kopieren. Dieses Szenario ist in der Science Fiction nicht neu, doch Uwe Post macht daraus eine Gag-geladene Irrsinnsrevue. Und unter der Schicht aus Spaß und Wortspielerei wird ein Wirtschaftssystem bloßgestellt, das die Ausbeutung des Menschen zur Vollendung gebracht hat: Hier darf man nicht einmal mehr im Tod zur Ruhe kommen.

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Foto: Cross Cult

Warren Ellis & Jason Howard: "Trees"

Gigantische außerirdische Gebilde sind auf Erden niedergegangen, ragen mit ihren Stämmen nun weltweit in den Himmel und tun ... vorerst noch nichts. Der erste Band dieser fantastischen Graphic-Novel-Trilogie dreht sich noch primär um die Menschen, die die "Bäume" bloß als eine weitere Rechtfertigung benutzen, um ihren Plänen nachzugehen und ihren Mitmenschen das anzutun, was sie ihnen auch ohne außerirdische Entschuldigung antun würden. Vor unseren Augen entfaltet sich ein Panorama höchst irdischer Grausamkeiten – doch langsam werden auch die Bäume aktiv ...

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Foto: Harper Collins

Nate Crowley: "Notes from Small Planets"

So unterhaltsam kann Metafiktion sein: Im Stil von Terry Pratchetts Scheibenwelt-Reiseführern schickt uns Nate Crowley auf eine Reihe von Planeten, von denen jeder einem Genre der Phantastik oder auch einem beliebten Franchise entspricht. Ob High Fantasy, postapokalyptische Dystopie oder Space Opera, ob "Harry Potter", "Pirates of the Caribbean" oder "Star Trek": Lustvoll werden all die Klischees durch den Kakao gezogen, die die populärsten Werke der Phantastik hervorgebracht haben. Wer leichte und doch schlaue Lektüre zu den Feiertagen sucht, ist hier goldrichtig.

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Foto: Memoranda

Charles Platt: "Free Zone"

Und so ... unauffällig kann Metafiktion sein. Charles Platt hatte für "Free Zone" einen derart raffinierten Plan, dass ihn niemand ohne Erklärung bemerkt (nämlich alle wichtigen SF-Motive in einen Roman zu packen). Übriggeblieben ist aber immer noch eine vergnüglich-chaotische Geschichte um ein kleines Punk-Paradies, das sich nicht nur der kalifornischen Entsprechung von Rudy Giuliani erwehren muss, sondern es unter anderem auch noch mit sprechenden Hunden, zeitreisenden Robotern, dem Herrscher von Atlantis und Menschenfressern aus dem Weltraum zu tun bekommt.

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Foto: Tor Books

Gardner Dozois & Michael Swanwick: "City under the Stars"

Als hätte Charles Dickens einen Science-Fiction-Roman geschrieben: Ein Leben zwischen Arbeit und Armut ist alles, was Hauptfigur Hanson kennt. Doch wir befinden uns nicht im 19. Jahrhundert, sondern in einer fernen Zukunft – und unweit der Arbeiterstadt ragt eine goldene Mauer in den Himmel, hinter der die "Stadt Gottes" liegen soll. Eine Queste scheint unvermeidlich. Michael Swanwick hat ein Romanfragment des 2018 verstorbenen Gardner Dozois vervollständigt und setzt dem legendären Herausgeber damit ein Denkmal.

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Foto: p.machinery

Norbert Stöbe: "Kleiner Drache"


China, das Reich der fehlenden Mitte: Arm und Reich, Stadt und Land, Sein und Schein – Gegensätze prallen hier aufeinander. Und Xialong, Angehörige der wirtschaftlichen Elite, lernt beide Seiten kennen, als sie eines Tages durch einen Klon ersetzt wird und flüchten muss. Sie fällt tief, um sich danach mit Zähnen und Klauen wieder emporzukämpfen. Doch ist der Plot nur der Pfad, auf dem wir uns hier durch ein Zukunftspanorama im Stil von Ian McDonald oder Paolo Bacigalupi bewegen.

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Das war jetzt – zumindest für mich – ein unerwartet positiver Abschluss. Die letzte Ausgabe des Jahres bringt es ja zumeist mit sich, noch schnell die letzten Reste rauszuhauen, die in den Vormonaten liegen geblieben sind. Aber tatsächlich habe ich alle diese zehn Bücher mit Vergnügen gelesen, eine solche Quote ist alles andere als selbstverständlich. Welche Bücher übers Jahr hinweg die meiste Freude bereitet haben, werden wir dann im Jänner sehen, wenn das traditionelle Jahres-Best-of erscheint. Auf einen guten Start ins Jahr 2021 – und bis dahin schöne Feier- und Lesetage! (Josefson, 19. 12. 2020)