So schön ist der Osten: "Super Illu" schreibt für die Ossis.

Cover: Super Illu

"Ostdeutsche mögen keinen Schlüssellochjournalismus und Voyeurismus." (Stefan Kobus, Chefredakteur)

Cover: Super Illu

Vorurteile gegen Ostdeutschland müssen korrigiert werden.

Cover: Super Illu

Katharina Witt ist möglicherweise wieder verliebt. Gojko Mitić hat unlängst seinen Achtziger gefeiert. Und Frank Schöbel beobachtet in seinem Garten sehr gerne Vögel.

Frank wer? Gojko wie? Wer hier stutzt, der stammt vermutlich nicht aus dem Osten Deutschlands. DDR-Eislauflegende Witt kennen ja viele auch im Westen. Kaum ein Begriff hingegen sind dort Gojko Mitić und Frank Schöbel.

"Winnetou des Ostens"

Zur Aufklärung: Mitić war der "Winnetou des Ostens" und in der DDR eine Legende. Der 77-jährige Schöbel gilt als einer der erfolgreichsten Schlagerstars im einstigen Arbeiter- und Bauernstaat. Was es über sie zu erzählen gibt, das steht in der SUPER illu.

"So’n Ost-Blatt ist das" – das sagt der Westdeutsche über die Wochenzeitschrift, die im (westdeutschen) Burda-Verlag erscheint, wenn er die SUPER illu überhaupt kennt.

"Traumziele in unserer Heimat"

Diese ist ein publizistisches Phänomen. Während sich nicht nur Politiker seit Jahren um das Zusammenwachsen von Ost- und Westdeutschen bemühen, lebt das Blatt auch 30 Jahre nach der Wende noch von Berichterstattung, die sich bewusst an die Ostdeutschen richtet.

Die "23 Traumziele in unserer Heimat" – von Meißen bis zur Ostsee – befinden sich allesamt in den neuen Bundesländern. Wer beim "Brunnenquiz" gewinnen will, der sollte sich auf den Marktplätzen im Osten gut auskennen. Eine Story, betitelt mit "70 Jahre Eisenhüttenstadt – viel schöner, als man denkt", gibt es auch nur in der SUPER illu.

Große Brüche

"Viele Menschen der ehemaligen DDR haben große Brüche in ihrem Leben verkraften müssen. Vieles aus ihrem Alltag ist verschwunden. Dennoch muss sich der Osten nicht schämen. Es gibt ein ostdeutsches Selbstbewusstsein, und das zeigen wir", erklärt Chefredakteur Stefan Kobus sein Rezept.

Der 56-Jährige ist übrigens kein Ossi, sondern stammt aus Trier in Rheinland-Pfalz, also aus dem äußersten Westen Deutschlands. Nach dem Journalistik-Studium in der Schweiz war er unter anderem Textchef bei der Frauenzeitschrift Tina (Bauer-Verlag).

Andere Medien floppten

1990, als auch in den westdeutschen Verlagen mit Blick gen Osten Goldgräberstimmung herrschte, entwickelte er im Hamburger Bauer-Verlag Unsere Illustrierte für den Osten. Doch das Projekt floppte, wie andere Ost-Titel, nach wenigen Monaten. "Wir schrieben damals aus Hamburg über den Osten und nicht für den Osten", erklärt Kobus das Scheitern.

Bei der SUPER illu sei das ganz anders. Kobus: "Wir schreiben für den Osten." Die Redaktion der Zeitschrift befindet sich am Potsdamer Platz in Berlin, der Schnittstelle zwischen Ost und West.

Kobus ist seit 2003 dabei, seit 2016 ist er Chefredakteur. Sein Team (20 Redakteure und einige Grafiker) stammt zur Hälfte aus dem Osten, zur Hälfte aus dem Westen. Freie Mitarbeiter sind im Osten vor Ort.

In den Anfangsjahren gab es noch viel Sex und Busen, heute aber, so Kobus, gelte das Motto: "Wir geben Orientierung und nehmen Rücksicht auf die medialen Bedürfnisse der Ostdeutschen."

Sie mögen keinen Schlüssellochjournalismus

Diese Bedürfnisse seien nämlich ganz andere als im Westen, ist Kobus überzeugt: Die Menschen im Osten nutzen Medien immer noch anders als im Westen. Natürlich wollen auch Ostdeutsche über ihre Stars informiert werden. Aber sie mögen keinen Voyeurismus oder Schlüssellochjournalismus."

Zu möglichen Gründen sagt er: "Das hat zum Teil sicherlich mit der Überwachung und dem Spitzelsystem in der DDR zu tun. Die Privatsphäre galt nichts und wurde immer wieder verletzt."

Lieber über Ost-Stars lesen

Sicher möchten die SUPER illu-Leserinnen und -Leser auch über Harry und Meghan lesen. Aber lieber eigentlich über Ost-Stars, von denen das Blatt regelmäßig eingeladen wird. "Wir gelten als seriös, mit uns reden die Stars", sagt Kobus.

Es ist nicht so, dass der Westen in der Zeitschrift gar nicht vorkommt. Mal gibt es einen Reisetipp für den bayerischen Chiemgau, die Kochrezepte (Ofen-Hähnchen mit Zitrone) und Gartentipps (Wann Rosen düngen?) sind auch gesamtdeutsch.

Doch den Großteil des Blattes, sei es eben Klatsch, Wirtschaft oder Kultur, widmet sich dem Osten. Klar, dass da auch mal Pensionist Henry aus dem sächsischen Kaditzsch vorgestellt wird, der "hingebungsvoll" ein Gänsepaar versorgt.

Die Gänse Erich und Margot

Die Namen der Federtiere lauten Erich und Margot. Denn so kann der Gänse-papa, anders als zu DDR-Zeiten, endlich frei heraus fordern: "Erich, jetzt halt doch mal den Schnabel!"

Dese Anspielung an das Ehepaar Honecker könnte auch ein Westdeutscher verstehen – wenn er die SUPER illu nur lesen würde. Doch nach West-Deutschland gehen nur zehn Prozent der Auflage – hauptsächlich an Ostdeutsche, die dort hinzogen und über die alte Heimat informiert sein wollen.

Die verkaufte Gesamtauflage ist, wie bei anderen Titeln auch, in den vergangenen Jahren stark gesunken. Derzeit liegt sie bei 180.453 Stück, Ende der Neunzigerjahre waren es rund 600.000. Dennoch kann Kobus nicht ohne Stolz sagen: "Die SUPER illu ist die erfolgreichste Zeitschrift des Ostens. Wir haben in Ostdeutschland eine doppelt so hohe Auflage wie Stern, Spiegel und Focus zusammen." Im zweiten Quartal 2020, also während der Corona-Hochzeit, legte die SUPER illu im Gegensatz zu anderen deutschen Magazinen zu.

DVD aus den Beständen der DEFA

Leserinnen und Leser hält Kobus auch mit diversen Ost-Goodies bei der Stange: Mal gibt es eine DVD aus den Beständen der DEFA, der Deutschen Film AG, dem volkseigenen Filmunternehmen der DDR. Und Familien freuen sich über Pittiplatsch, eine Puppenfigur des DDR-Fernsehens. Der Publikumspreis "goldene Henne" wird seit 1995 verliehen.

Kobus weiß, dass sein Blatt in der Branche von vielen belächelt wird. Doch das stört ihn nicht, denn er verweist auf Interviews mit DAX-Vorständen, Bundespräsidenten und der Bundeskanzlerin: "Das ist ein Spielfeld, von dem andere nur träumen können."

Kanzlerin gratulierte

Und so gab es zum 30. Geburtstag des Hefts im August auch Gratulationen von ganz oben. "Wir brauchen die ostdeutschen Stimmen, wir brauchen die ostdeutschen Erfahrungen und Perspektiven", lobte Kanzlerin Angela Merkel.

Kurz davor hatte übrigens die westdeutsche Schauspielerin Iris Berben ein Interview gegeben. Der Titel lautete: "Ich habe eine besondere Beziehung zum Osten."

Eine bunte Wundertüte: Die "SUPER illu" informiert wöchentlich und wird vom Burda-Verlag, in dem sie erscheint, "Medienheimat der Menschen im Osten" genannt. Seit 1995 werden mit der "goldenen Henne" die populärsten Stars ausgezeichnet. (Birgit Baumann, 3.10.2020)