In der Mattersburger Commerzialbank wurde jede Menge Bargeld verteilt – an bestimmte Kunden und Richtung SV Mattersburg.

Foto: Matthias Cremer

Wien – Die Aufarbeitung des Zusammenbruchs der Commerzialbank Mattersburg und der riesigen Malversationen, die Exbankchef Martin Pucher und Managerin K. gestanden haben, zieht immer weitere Kreise.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt inzwischen gegen sieben Beschuldigte (inklusive eines Verbands) wegen des Verdachts auf gewerbsmäßig schweren Betrug, Untreue, betrügerische Krida, Bilanzfälschung, Geldwäscherei und Finanzvergehen. Derzeit geht die Behörde von einem Schaden von 530 Millionen Euro aus. (Das entspricht dem Schuldenstand des insolventen Instituts.) Von diesem Ermittlungsstand berichtete die WKStA am Donnerstagabend. Geld der Bank soll "für wirtschaftlich nicht zu rechtfertigende, bankfremde Zwecke" geflossen sein, verschleiert worden sei das über fingierte Kredite und Rechnungen. Es gilt die Unschuldsvermutung,

Kunden und Bank-Kontrollor beschuldigt

Gemäß STANDARD-Recherche wird gegen die zwei Exmanager, ein Exaufsichtsratsmitglied und sein Unternehmen sowie gegen drei Bankkunden ermittelt. Sie alle dürften Geld bekommen haben, das zum Teil in ihre dahinsiechende Unternehmen und zum Teil an den Fußballverein SV Mattersburg (SVM; Pucher war Präsident) floss.

Wie das Geld den Besitzer wechselte, erschließt sich aus K.s Einvernahmen, die sich dabei zum Teil auf ihre penibel geführten Aufzeichnungen stützt. Jahrzehntelang hat Pucher das Bargeld übergeben – bis er 2015 erkrankte und seine Kollegin mit der Bargeldübergabe an gewisse Personen betraute.

Geldkreislauf

Etwa an Herrn B., der das Geld für eine "Umsatzaufbesserung" seines Betriebs bekam. Jeden Monat habe sie. K., dem (inzwischen beschuldigten) Mann in der Bank 80.000 Euro übergeben, er selbst habe Umsatzlisten mitgebracht, in denen diese milde Gabe bereits erfasst war. Das Geld dafür holte K. an der Kassa ab, ohne Auszahlungsbestätigung.

Dem Kassier dürfte das weiter kein Kopfzerbrechen bereitet haben: Er habe gewusst, dass Pucher die Auszahlung später ausgleichen werde, sagte K. aus. Das habe der Bankchef auch getan, mittels fingierter Scheckeinreichungen, die er unterschrieben hatte, auch in der Zeit, als er krank und nicht im Job war. Im März 2017 wurde die Kassa einmal ordentlich aufgefüllt: mit einmal vier Millionen und einmal zwei Millionen.

"Inoffizielle Provision"

Auch ein Mitglied des Aufsichtsrats – Unternehmer und Kreditkunde der Bank – wurde von K. in Puchers Abwesenheit reich bedacht. Allein bei einer Übergabe kassierte er 300.000 Euro in cash, ebenfalls zur "Umsatzaufbesserung".

Auch "inoffizielle Provisionszahlungen" gab es, wenn gute Kunden mit hohen Einlagen an Land gezogen oder ihre Veranlagungen verlängert wurden. Rund um Frequentis, das 31 Mio. Euro in Mattersburg geparkt hatte, übergab K. zweimal Bargeld an einen Bankmitarbeiter: in Summe 190.000 Euro. Wofür? Für eine "inoffizielle Provisionszahlung", wobei nicht klar ist, ob das Geld beim Banker blieb.

Am meisten profitierte offenbar der SVM. K. erinnert sich an "mehrere" Bargeldübergaben in der Zeit ab 2015, jeweils in sechsstelliger Höhe. Der Weg von der Bank in den Fußballverein war ja kurz: ein Mitarbeiter, der auch eine Funktion im Verein des Bundeslegisten hatte, soll das Geld in Empfang genommen und in den Verein gebracht haben. Der Mann hat als Zeuge bereits ausgesagt: Er habe von Malversationen nichts gewusst oder bemerkt.

Auch Sponsorverträge gefälscht

Und: Eingebunden in den Geldtransfer war auch ein Angehöriger Puchers, der den SVM gesponsert hat. Wobei auch Sponsorverträge gefälscht wurden: Bei bestehenden Verträgen habe sie die Summen erhöht, die (echten) Sponsoren hätten davon wohl nichts mitbekommen, gab K. vor den Ermittlern zu Protokoll. Die Vorlagen für die Verträge habe sie von Pucher bekommen, das Briefpapier des Vereins im Institut zur Verfügung gehabt.

Ganz selten ging es auch um vergleichsweise wenig. So überwies die Bank Kindern eines Fußballers an einem 23. 12. in Summe 1500 Euro auf deren Sparbücher. Das Geld, als Weihnachtsgeschenk Puchers gedacht, sollte K. eigentlich von ihm holen und ersetzen – dazu ist es aber aus "Zeitgründen" nie gekommen.

In grauen/gelben Vorzeiten

Apropos Zeit: Die Malversationen haben laut K. bereits 1981 begonnen, als die heutige Commerzialbank zum Raiffeisen-Sektor gehörte und K. noch nicht an Bord war. Damals schon habe Pucher ein fingiertes Kreditkonto eröffnet. Geschlossen wurde es 37 Jahre später: 2018. (Renate Graber, 3.10.2020)