Angela Merkel zeigte sich überraschend optimistisch, dass es "bereits in den nächsten Tagen" zu einer Entscheidung kommen könnte, wie die EU und Großbritannien ihr künftiges Verhältnis regeln.

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Die Europäische Union soll die im Grundsatz bereits im August beschlossenen Sanktionen gegen das Regime des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko nun rasch auch praktisch umsetzen. Darauf haben sich die 27 Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel in der Nacht auf Freitag geeinigt.

Gegen drei Dutzend Vertraute Lukaschenkos, die für Gewaltexzesse und Wahlfälschungen verantwortlich sind, sollen Einreisesperren verhängt und Konten eingefroren werden, nicht aber gegen den Machthaber selbst.

Vertiefter Dialog mit der Türkei

Dem war ein Kompromiss mit Zypern vorangegangen, das den einstimmigen Beschluss per Veto verhindert hatte. Der zypriotische Präsident hatte Sanktionen auch gegen die Türkei verlangt, die im Streit um die Gasförderung im Mittelmeer internationales Recht breche. Nach zehn Stunden einigte man sich darauf, mögliche Sanktionen zu erwähnen, mit der Türkei aber in einen vertieften konstruktiven Dialog einzutreten. Ziel ist eine Entspannung der Beziehungen. Ein wichtiges Thema war nach den Worten der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die aktuell den EU-Ratsvorsitz führt, der Brexit bzw. die Blockaden der Verhandlungen. Die EU-Kommission droht der britischen Regierung mit Klage wegen des Bruchs des EU-Austrittsvertrages, konkret der Einigung zum Nordirlandvertrag.

Das sei "bitter", sagte Merkel. Sie zeigte sich jedoch überraschend optimistisch, dass es "bereits in den nächsten Tagen" zu einer Entscheidung kommen könnte, wie die EU und Großbritannien ihr künftiges Verhältnis regeln, ob es zu einem Freihandelsabkommen kommt.

Treffen am Samstag

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird sich am Samstag mit Premierminister Boris Johnson besprechen. Die deutsche Kanzlerin bespricht sich am Montag mit dem EU-Chefverhandler Michel Barnier, wie sie bestätigte, um die weitere Vorgangsweise zu fixieren.

Laut Merkel müssten die Briten zunächst klären, "wie viel Freiheit und Unabhängigkeit" sie haben wollen. Darauf würden die EU-27 dann ihre Antwort geben. Ein Vorbild könnten Vereinbarungen zwischen den Briten und Norwegen sein. Johnson sieht den Ball bei der EU: Ob ein Handelspakt zustande komme, "liegt an unseren Freunden".

Am Freitag kam noch die Lage der Corona-Pandemie auf die Tagesordnung, ursprünglich nicht vorgesehen. Praktisch alle Regierungschefs meldeten sich zu Wort und brachten ihre Sorgen vor. Merkel räumte ein, dass dem Thema bisher zu wenig Augenmerk geschenkt wurde. Reisebeschränkungen sollen besser koordiniert werden. (Thomas Mayer, 2.10.2020)