Barbara Kolm wurde von Heinz-Christian Strache in Chats über seinen Ärger zu koalitionärer Postenvergabepraxis involviert.

Foto: Regine Hendrich

Heinz-Christian Strache freute sich. "Juhuuu!!!!;)", rief er am 28. März 2019 kurz nach elf Uhr per SMS aus, nachdem ihm Barbara Kolm von der Bestellung Peter Sidlos in den Vorstand der Casinos Austria informiert hatte: "Hat geklappt für Peter S. heute!", so Kolm, die im September 2018 auf einem FPÖ-Ticket als Vizepräsidentin des Generalrats in die Nationalbank gekommen war. Der Freiheitliche Sidlo war am Tag des Chats, der sich in Unterlagen des Ibiza-U-Ausschusses findet, zum Finanzvorstand des Glücksspielkonzerns gekürt worden. Die WKStA vermutet dahinter einen Deal zwischen Novomatic und FPÖ, was alle Beteiligten bestreiten.

Ökonomin Kolm, Präsidentin des Hayek Instituts und Chefin des Austrian Economics Center, hatte sich für Sidlo verwendet, sie schätzte die Fähigkeiten ihres Generalratskollegen, sagt sie auch heute.

Sidlo aus Überzeugung empfohlen

Wie sehr sie sich engagierte und wie sie von der FPÖ in Fragen von Postenbesetzungen involviert wurde, erschließt sich aus etlichen Chats. Casag-Aktionärin Sazka legte sich ja gegen Sidlo quer. Der Präsident des Casinos-Aufsichtsrats, Walter Rothensteiner (auch im OeNB-Generalrat), hatte persönliche Bedenken gegen Sidlo. Und Personalberater Zehnder hielt den Juristen als Finanzvorstand für nicht qualifiziert. Kolm unterstützte Sidlo, rief auch den Headhunter an.

Warum? Er habe sie gefragt, ob er sie in den Referenzen angeben könnte, was sie aus Überzeugung getan habe, erzählt sie, mit seiner Bestellung habe sie nichts zu tun. Mit deren Vorbereitung aber schon.

Daumen drücken

Am 14. Jänner 2019 schrieb Kolm an Novomatic-Chef Harald Neumann, der auch im Casag-Aufsichtsratspräsidium saß. Sie habe "eben ein ausführliches Gespräch mit RS in unserer Sache gehabt"; gemeint war PS, also Sidlo. Zwei Wochen später war Feuer am Dach. "Schaut nicht gut aus!! Headhunter hat nicht sehr positiv reagiert! (...)" alarmierte Neumann die Notenbank-Kontrollorin. Kolm: "Bin dran."

Im Februar standen Sidlos Sterne besser, seine Bestellung "sollte durchgehen, zumindest hat Rothensteiner das zugesagt! Let’s hope;) ...", teilte Neumann Kolm mit, die ihre "fingers cross" hielt, also Daumen drückte. Mitte März telefonierte sie mit einer Anwältin einer Kanzlei, die rund um den Bestellungsvorgang involviert war.

Retorsionsmaßnahmen

Vor der Aufsichtsratssitzung mit den Hearings sprach sie mit einer Casag-Aufsichtsrätin, laut Chats ging’s um Fragen, die man dem von Sazka nominierten Vorstandskandidaten Martin Skopek im Hearing stellen könnte. Sidlo schrieb danach an Neumann, die Aufsichtsrätin werde "situationsabhängig die besprochenen Fragen an Skopek stellen". Offenbar sollten notfalls unangenehme Frage an Sidlo mit unangenehmen Fragen an Skopek vergolten werden.

In ihrer Zeugeneinvernahme vom 17. September beantwortete Kolm Nachfragen der Ermittler dazu so: Sie habe mit der Aufsichtsrätin "allgemein besprochen, welche Fragen fachlicher Natur man in einem Hearing stellen sollte". Das Hearing lief dann "besser als erwartet! PS war sehr gut, fast keine allzu dummen Fragen ;))", teilte Neumann Kolm nach der Sitzung dann mit. Am 28. März war Sidlo durch.

Wirbel um FMA-Reform

Keinen Monat später ging es schon wieder rund. Strache sah die Blauen bei den Postenvergaben benachteiligt und bat in einem Chat seinen Kabinettschef, an Arnold Schiefer (FPÖ), Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ) und Kolm "um alle Vereinbarungen, welche mit Löger, Schmid und co getroffen wurden. (…) Kurz will davon nichts wissen und das geht nicht…" Und er drohte bei der geplanten Aufsichtsreform mit Boykott der FPÖ: "Unser Entgegenkommen bei OeNB zu FMA-Neu gibt es nur, wenn wir den zweiten Vorstand sofort bekommen (…), zwei Direktoren und zwei Abteilungsleiter! Sonst gibt es keine FMA-Neu! (…)". Was Kolm für die Reform (die letztlich nicht kam) tat?, fragen sie die Ermittler. Sie habe sich "in vielen Gesprächen, auch mit internationalen Fachleuten, in diese Reform eingebracht".

Im Gespräch mit dem STANDARD betonte Kolm, sie habe sich für Sidlo nicht übermäßig engagiert, dass sie mit Neumann Unterhaltungen geführt habe, sei übertrieben dargestellt. Treffen mit dem damaligen Novomatic-Chef etwa im Novomatic-Forum habe es nicht gegeben; aus den Chats geht allerdings anderes hervor.

"Jetzt gehen wir die nächsten an"

Nach Sidlos Bestellung im März 2019 zeigte sich Kolm gleich wieder tatendurstig: "Jetzt gehen wir die nächsten an. Hatte vorgestern Gespräch mit/für Peter Fichtenbauer", schrieb sie Strache. Ob sie der Volksanwalt (seine Funktionsperiode endete im Juni 2019) auch um Referenzen gebeten hat? Diese Frage hat Kolm dem STANDARD nicht beantwortet. (Renate Graber, 3.10.2020)