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Donald Trump hat Corona.

Foto: REUTERS/Carlos Barria/File Photo

Wie sich das Virus nach den Vorstellungen Donald Trumps zu verhalten hatte, war immer klar. Man könnte es auf eine simple Zeile bringen: Es hatte zu verschwinden. Aus Sicht des amerikanischen Präsidenten war und ist die Pandemie vor allem ein Störfaktor, der womöglich seine Wiederwahl gefährdet.

Da SARS-CoV-2 im April nicht wie durch ein Wunder verschwand, wie er es zunächst prophezeite, musste es kleingeredet werden. Der Verharmlosung folgten die betont optimistischen Impfstoff-Szenarien, nach denen schon im Oktober, kurz vor dem Votum im November, ein Vakzin zur Verfügung stehen werde. Weil sich medizinische Durchbrüche nun mal nicht nach politischen Kalendern richten, scheint absehbar, dass die Realität nicht Schritt hält mit der Prognose. Also spielte Trump die Gefahr einmal mehr herunter, wobei er zweifellos Wirkung erzielte. In den Augen seiner Anhänger, das spürt man, wenn man durchs Land fährt, ist die Seuche im Grunde Geschichte, aufgebauscht von den Demokraten, die den Leuten angeblich nur Angst einjagen wollen, damit sie den Amtsinhaber abwählen. Ein Ende der Pandemie sei in Sicht, verkündete Trump noch am Donnerstag vor Spendern in New York. Wenige Stunden darauf folgte die Nachricht, dass er positiv auf Covid-19 getestet wurde. In einem Satz, die raue Wirklichkeit hatte ihn in einem Moment eingeholt, in dem er mit dem Entwerfen der schönsten Wunschbilder beschäftigt war.

Auf dem harten Boden der Realität

Man muss einfach an die Vorgeschichte erinnern, um ermessen zu können, was das alles für den Wahlkampf bedeutet. Ein Profi der politischen Show, einer, der Illusionen beschwört, obwohl sein Land mit 7,3 Millionen bestätigten Infektionen und 208 000 Todesfällen die weltweite Corona-Tabelle anführt, landet selbst auf dem harten Boden der Realität. Angesichts der vielen Kundgebungen, auf die Trump partout nicht verzichten wollte, weil er ohne sie nicht in Schwung kommt, kann das eigentlich nicht überraschen. Und doch schlägt es – natürlich, wie könnte es anders sein – in Washington ein wie eine Bombe. Wobei sich jede Häme verbietet. Zumal im Falle eines 74-jährigen, übergewichtigen Mannes aus der höchsten Risikogruppe. Seine Gegner wären gut beraten, ihm, so wie es Joe Biden am Freitag tat, baldige Genesung zu wünschen, ohne den Kranken ihre Schadenfreude spüren zu lassen.

Es stimmt, bei einem milden Infektionsverlauf dürfte sich der Präsident in einer Lesart bestätigt sehen, nach der die Warnungen vor dem Virus größtenteils Panikmache sind. Erst recht in einer Zeit, da die Medizin dazugelernt hat, während sie noch im März vor einem Rätsel stand. Sollte die Krankheit schwerer verlaufen, stellt sich die Frage, ob er überhaupt noch kandidieren kann, denn eine Verschiebung der Wahl ist nach den Gesetzen der USA nicht vorgesehen. Wie es ausgeht, vermag aus heutiger Sicht niemand seriös zu beurteilen. Eines aber scheint sicher: Selbst wenn Trump es gut übersteht, hat das positive Testergebnis das Thema Corona, das er zu gern abhaken würde, einmal mehr in den Mittelpunkt gerückt. Und damit das verantwortungslose Wird-schon-alles-nicht-so-schlimm eines Meisters der Showbühne, der rosarote Bilder zeichnete, obwohl er es besser gewusst haben dürfte. (Frank Herrmann aus Washington, 2.10.2020)