Bodentruppen Aserbaidschans seien am Samstag vorgerückt, heißt es vom armenieschen Verteidigungsministerium.

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Baku/Eriwan/Stepanakert – Bodentruppen Aserbaidschans haben am Samstag laut der armenischen Regierung einen groß angelegten Angriff in der Konfliktregion Bergkarabach gestartet. Aserbaidschanische Truppen seien sowohl aus nördlicher als auch südlicher Richtung "mit starken Einheiten" vorgerückt, teilte das Verteidigungsministerium in Eriwan mit. Armenien meldete am siebenten Tag des Konflikts den Tod von 51 weiteren pro-armenischen Kämpfern. Zuvor hatte es von "heftigen Kämpfen" am Samstag gesprochen.

Dabei seien drei Kampfflugzeuge der Aserbaidschaner abgeschossen worden. Diese Angaben konnten von unabhängiger Seite nicht bestätigt werden, Aserbaidschan dementierte den Abschuss der Flugzeuge.

Unterschiedliche Zahlen zu Opfern

Die tagelangen Gefechte gehen weit über die Scharmützel hinaus, die es seit Jahren immer wieder in der Region gab. Bei den Kämpfen im Südkaukasus sind nach armenischen Angaben in Bergkarabach deutlich mehr als 200 Menschen getötet worden. Es gab allerdings abweichende Informationen. Aserbaidschan zählte zuletzt nach eigenen Angaben 19 tote Zivilisten und 60 Verletzte.

Nach armenischer Darstellung hat Aserbaidschan weitere Kräfte im Konfliktgebiet zusammengezogen. Baku bestätigte dies zunächst nicht. Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev teilte nach einem Telefonat mit seinem französischen Kollegen Emmanuel Macron mit, seine Armee habe besetzte Gebiete befreit. Zugleich warf er dem Nachbarland vor, die Verhandlungen über die Beilegung des Konflikts zu behindern.

Präsident will mitkämpfen

Der "Präsident" des international nicht als Staat anerkannten Bergkarabach, Araik Haratjunian, traf sich nach eigenen Angaben in der vergangenen Nacht mit Soldaten. Dabei sei er auch an die Front gegangen, berichteten armenische Medien. Dort werde er mehr gebraucht als "hinten", meinte Harutjunian demnach. "Wir werden unser Heimatland mit Ehre verteidigen."

"Die Nation und das Mutterland sind bedroht", sagte er am Samstag vor Journalisten in Stepanakert. Gekleidet in einen Tarn-Anzug fügte er hinzu: "Die Zeit ist gekommen, dass die gesamte Nation zu einer mächtigen Armee wird. Dies ist unsere letzte Schlacht, die wir mit Sicherheit gewinnen werden."

Auch Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan betonte am Samstag die Bedeutung der aktuellen Kämpfe um Bergkarabach. "Meine lieben Landsleute, Brüder und Schwestern, wir stehen vor dem vielleicht entscheidendsten Moment in unserer Geschichte", schrieb er am Samstag auf Facebook.

Auch der armenische Außenminister meldete sich in sozialen Medien zu Wort.

Umkämpftes Gebiet

Die beiden Ex-Sowjetrepubliken Aserbaidschan und Armenien kämpfen seit Jahrzehnten um die bergige Region, in der rund 145.000 Menschen leben. Bergkarabach wird von Armenien kontrolliert, gehört aber völkerrechtlich zum islamisch geprägten Aserbaidschan. In einem Krieg nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor rund 30 Jahren verlor Aserbaidschan die Kontrolle über das Gebiet. Es wird heute von christlichen Karabach-Armeniern bewohnt. Seit 1994 gilt eine brüchige Waffenruhe.

Iran spricht Warnung aus

Nachdem in den vergangenen Tagen mehrere ausländische Staaten die Konfliktparteien zur Zurückhaltung aufgerufen hatten, warnte der Iran am Samstag davor, in sein Hoheitsgebiet einzudringen. "Jegliches Eindringen in das Gebiet unseres Landes durch eine der Konfliktparteien ist inakzeptabel", erklärte das iranischen Außenministerium.

Grund für die Warnung seien Mörsergranaten, die seit Montag in iranischen Dörfern entlang der Landesgrenze zu Berg-Karabach eingeschlagen seien, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Irna. (APA, red, 3.10.2020)