Der ehemalige Wiener Bürgermeister Michael Häupl hat einmal treffend festgehalten, dass Wahlkampf die Zeit der fokussierten Unintelligenz sei. In diesem Sinne wurde der Versuch getätigt, einige nicht bierernste Gedanken zu den aktuellen Wahlinterventionen der verschiedenen Parteien und deren Vertretern zu formulieren. Sicher könnte man an die Angelegenheit fachlich fundierter herangehen, etwa durch die Analyse von Mikroexpressionen, die nicht nur seit der Entwicklung des Kodierungsschemas "Facial Action Coding System" zur Gesichtsausdrucksanalyse von dem renommierten Psychologen Paul Ekman und seinem Kollegen Wallace Friesen eine große Rolle in unserem Leben spielen. Die Mikromimik und andere unterschwellige Botschaften auf Wahlplakaten sind sicher nicht zu unterschätzen.

Im folgenden Abschnitt finden Sie jedoch einen im Sinne der freien Assoziation anderen Ansatz zur kommenden Wien-Wahl, der keinerlei Anspruch auf Wissenschaftlichkeit stellt.

Ludwig, der Mann mit den großen Händen

Spätestens seit Donald Trump wissen wir über die tiefere Bedeutung von großen Händen bescheid. Darum soll es aber in diesem Zusammenhang nicht gehen. Fest steht aber, dass Michael Ludwig alle Wienerinnen und Wiener fest in seinen starken sozialdemokratischen Armen hält. Am Ende der politischen Umgarnung sind Sie vielleicht um ein Parteibuch und eine Gemeindebauwohnung reicher. 40 Prozent oder weit mehr sind laut Zollstock der Demoskopen drinnen. Der Realitätsbeweis folgt am Wahlsonntag.

Mr. Untouchable: Gernot Blümel

Wenn Sie menschliche Wärme und Nahbarkeit suchen, dann sind Sie bei Blümel genau richtig, denn ihm geht es vor allem um Leistung. Er stellt nahezu die typische Manifestation eines schulterklopfenden Politikers wie aus dem Bilderbuch dar, der nur so vor Bürgernähe strotzt. Probieren Sie es aus und gehen Sie auf den locker-adretten Herren, der als “konservativer Hackler“ gilt, zu, und klopfen ihm mit einem dezenten "Servas Gernot, Du alter Haberer" auf die Schulter. Warten Sie kurz ab, wie sein Blutdruck analog zu seinen Prozentwerten bei der kommenden Wien-Wahl steigt.

Nepp und mehr Zeit für Zärtlichkeit

Der Oscar für die differenzierteste Wahlwerbung geht dieses Jahr eindeutig an die FPÖ. Die emotional einfühlsame Bildgestaltung spricht sogar die “Döblinger Regimenter“ in Dominik Nepps Heimatbezirk an. Man muss schon zweimal hinschauen, um die unterschwellige Botschaft des Plakates mit dem Herrn inklusive Schubkarre vor dem AMS zu verstehen. Bei der gut situierten Hofratswitwe mit Staatsopernabo löst der feine Stimulus sicher eine gewisse Resonanz aus. Ob die Partei mit einer derart tiefsinnigen Strategie wohl in der Lage ist ihre Kernwähler in Simmering oder Favoriten anzusprechen? Wir werden es am 11. Oktober sehen.

Wer ist am besten für Wien?
Foto: derstandard.at/Christian Fischer

Pop-up Birgit und der ruhige Rudi

Das grün-dynamische Dreamteam Hebein und Anschober löst sicher orgiastische Begeisterungsstürme in Wien-Neubau aus. Wenn Sie immer schon wissen wollten, wie man korrekt eine Ampelschaltung nebst einem gepflegten klimagerechten Gürtelpool konfiguriert, sind Sie beim lockeren Rudi und der resoluten Birgit gut aufgehoben. Hier und da kann vielleicht einmal ein Radweg zum Erstaunen der Autofahrer zu rasch "aufpoppen", aber was wäre die Welt ohne einen kurzen emotionalen Klimawandel auf der Gemütsebene.

Wiederkehr der Musterschüler und Meinl-Reisinger die Alpha-Frau

Von den Plakaten der Neos lachen zwei sympathische, gebildete und jung-dynamische Gesichter. Der Traum jedes Fortschrittsgewinners und Bildungsfetischisten. Zumindest ein MBA und ein Wohnsitz in einem westlichen Bezirk sind Pflicht, um zur anvisierten Zielgruppe der Neos zu gehören. Die Nationalität zählt nicht, sondern nur der Wille zur Weiterentwicklung und zum sozialen Aufstieg. Wenn Sie in der Schule nur Einser hatten, werden Sie mit den Pinken Ihre helle Freude haben.

HC der Abschied tut weh

Heinz-Christian Strache ist ein Mann, der die Höhen und Tiefen des Lebens kennt und dem man so leicht nichts mehr vormachen kann. Am 11. Oktober will er wissen, ob es bei ihm noch zu einem zweiten politischen Frühling kommt. Sie können ihm zeigen, dass man mit 50 plus nicht zum alten Eisen gehört und durchaus mit gesetzterem Alter noch einmal durchstarten kann. Hat nicht jeder eine zweite Chance im Leben verdient? (Daniel Witzeling, 7.10.2020)

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