Für die piemontesische Ortschaft Limone waren die Unwetter verheerend.

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Nizza/Venedig/Amstetten – Ganze Häuser wurden von den Wassermassen mitgerissen, Straßen und Brücken zerstört, Dörfer von der Außenwelt abgeschnitten: Sturm und Unwetter mit Überschwemmungen haben im Südosten Frankreichs und in Norditalien zu teils chaotischen Zuständen geführt. Auch in Österreich und der Schweiz richteten Wind und Regen am Wochenende große Schäden an, in Niederösterreich wurde eine Vierjährige bei einer Wanderung von einem Ast erschlagen.

Das Mädchen war mit seiner Oma (72) und zwei weiteren Kindern am Samstagnachmittag durch das Mendlingtal in Göstling an der Ybbs (Bezirk Scheibbs) gewandert. Dabei dürfte laut Polizei eine orkanartige Windböe eine Fichte entwurzelt haben. Der Baum stürzte über den Wanderweg und traf die Gruppe, die Vierjährige starb. Bereits am Freitagabend war eine Zwölfjährige in Rum in Tirol im Föhnsturm von einem umstürzenden Baum getroffen worden, das Mädchen kam laut Polizei mit leichteren Verletzungen davon. Österreichweit gab es über das Wochenende wegen des Sturms und durchziehender Unwetter zahlreiche Blaulicht-Einsätze, um Straßen und Bahngleise passierbar zu machen.

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Der Präsident der Region Piemont beklagte hohe Schäden in vielen Gemeinden.
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In Italien kamen mindestens zwei Menschen ums Leben, zwei weitere wurden noch vermisst. Ob eine in der Küstenstadt Sanremo am Sonntag geborgene Person ebenfalls durch das Unwetter starb, war zunächst nicht sicher. Im bergigen Hinterland der französischen Ferienmetropole Nizza galten mindestens acht Menschen als vermisst, von anderen fehlten Nachrichten. Es gebe große Sorge hinsichtlich der endgültigen Opfer-Bilanz, wie Regierungschef Jean Castex bei einem Besuch in der Krisenregion sagte.

Enorme Regenmengen

In der Schweiz brachte das Tief am Samstag enorme Mengen Regen mit sich, die Autobahn A2 war stundenlang wegen Überflutung gesperrt. In einem Tal im Tessin wurde laut dem Sender SRF mit 421 Millimetern in 24 Stunden die zweithöchste Regenmenge jemals in der Schweiz gemessen.

Auch in Meran in Südtirol stieg der Wasserpegel der Passer gefährlich an. Das Passeiertal war teilweise gesperrt, mehr als 1.000 Feuerwehrleute waren am Samstag in Südtirol im Einsatz.

Im französischen Departement Alpes-Maritimes und in Norditalien liefen am Sonntag die Aufräumarbeiten. In Frankreich wurden rund 1.000 Feuerwehrleute und die Armee eingesetzt. In der italienischen Region Piemont waren Straßen und Brücken beschädigt und Städte überschwemmt, etwa in Limone Piemonte in der Provinz Cuneo. Der Bürgermeister dort sprach von einer "katastrophalen Lage". Die Regionen Piemont und Ligurien beklagten Schäden in Millionenhöhe.

In den Bergen nördlich von Nizza waren Dörfer nicht mehr erreichbar. Das Telefonnetz war zusammengebrochen. Tausende Haushalte waren ohne Strom. Retter brachten Wasser und Lebensmittel in die Region. Remi Recio, Leiter des engsten Mitarbeiterstabes des örtlichen Präfekten, sprach von einer "meteorologischen Bombe", die am Freitag über dem Departement niedergegangen sei. Vom Hubschrauber aus habe er kriegsähnliche Szenen gesehen. "Man hat den Eindruck, dass das Gebiet bombardiert wurde."

Häuser weggerissen

Häuser seien von den Wassermassen weggerissen worden. Es gebe immer noch große Unsicherheit: "Wir wissen derzeit nicht, ob die Häuser bewohnt oder Ferienhäuser waren", sagte Recio dem Nachrichtensender Franceinfo. Zu den acht Vermissten sagte er, es gebe Zeugenaussagen, dass diese in den Fluten verschwunden seien.

Dieser Sreenshot aus einem Video zeigt das Ausmaß der Überschwemmungen in Südfrankreich.
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Regierungschef Castex und Innenminister Gerald Darmanin waren am Samstag in das Departement Alpes-Maritimes geeilt. Castex sicherte der Bevölkerung Unterstützung zu. Am Mittwoch werde das Kabinett den Katastrophenzustand für betroffene Gemeinden ausrufen. Das erleichtert unter anderem Entschädigungen. Südfrankreich wird seit Jahren von Unwettern getroffen. Im Herbst vergangenen Jahres kamen 14 Menschen ums Leben. Die dicht bebaute Cote d'Azur wurde genau vor fünf Jahren von schweren Unwettern heimgesucht, 20 Menschen starben damals.

Feuerwehrmann starb in Italien

In Italien starb ein 53-jähriger freiwilliger Feuerwehrmann aus der Gemeinde Arnad im Aostatal, der bei einer Rettungsaktion von einem umgestürzten Baum getroffen wurde. Ein 36-jähriger Autofahrer aus Vercelli wurde auf einer kaputten Straße vom Flußwasser weggerissen. Teilweise hatte es im Nordwesten Italiens auf Samstag so stark geregnet wie seit rund 60 Jahren nicht mehr. Orte liefen mit Schlamm und Wasser voll. Autos wurden in Flüssen mitgerissen. Der Strom fiel für Tausende Menschen aus. Die Behörden warnten weiter vor Hochwasser.

Gelungene Bewährungsprobe für den Hochwasserschutz Venedigs. Das Dammsystem Mose kam zum ersten Mal zum Einsatz. Die Lagunenstadt blieb trocken.
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In Venedig wurde am Samstag die neue Hochwasserschutzanlage MOSE erstmals in einer echten Gefahrenlage hochgefahren. Die Tore der Flutschleusen an den Öffnungen der Lagune wurden aufgestellt. Am Sonntag hieß es in Medienberichten, MOSE habe Wirkung gezeigt: Trotz erhöhter Wasserstände sei der Markusplatz im Zentrum trocken geblieben.

Unwettereinsätze in Österreich

Föhnsturm und Unwetter haben am Samstag bis in den Abend auch für hunderte Feuerwehreinsätze in der Steiermark, Kärnten und dem Burgenland gesorgt, wie DER STANDARD hier berichtet. (APA, dpa, 4.10.2020)