Dürfen die Stromfresser noch einen Winter Luft anwärmen?
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Pro: Lasst sie sprießen!

von Gerald John

Sie schießen wahrlich wie die Schwammerln nach einem warmen Regenguss aus dem Boden: Obwohl der Spätsommer noch laue Abende bescherte, wurde im September in so manchem Schanigarten der Wiener Innenstadt bereits um die Wette geglüht. Dabei sind die Heizgeräte, die da Gästen ins G’nack strahlen, aus ökologischer Sicht ungefähr so sympathisch wie Fliegen- und Fußpilz. Es handelt sich um kolossale Energieverschwendung für den Luxus, bei unpassenden Temperaturen im Freien zu sitzen.

Dennoch: Die Stromfresser sollen noch einen Winter Luft anwärmen dürfen. Zu groß ist die Not der Wirte in der Pandemie, um ihnen diesen Gästemagnet zu rauben. Und was, wenn sich die Vertriebenen stattdessen indoor zusammenkuscheln? Dann werden Corona-Cluster wie die Pilze sprießen.

Sicher, mit dem Hinweis auf ökonomische und andere Zwänge lässt sich jede umweltpolitisch ambitionierte Maßnahme vom Tisch wischen – Politiker haben diesen Schmäh massenhaft angewandt. Doch das Land steckt nun einmal nicht in einer gewöhnlichen Situation, sondern in einer beispiellosen Krise, für die besondere Maßstäbe gelten.

Allerdings sollte es keine Lizenz auf ewig geben. Der Kompromiss: Während der Krise darf hemmungslos weitergestrahlt werden, doch danach soll damit überall – auch in Wien – Schluss sein, wie es in manchen Städten längst der Fall ist. Für Heizschwammerln muss es verbindlich heißen: Hut ab! (Gerald John, 4.10.2020)

Kontra: Bitte Anorak und Unterflak!

von Nina Weißensteiner

Um der Gastronomie den Herbst und Winter zu retten, erlaubt eine Stadt nach der anderen, für die lieben Gäste in den Schanigärten die Heizschwammerln zu reaktivieren – obwohl diese mitunter schon längst als verboten galten. Als einer der Ersten sprach sich Innsbrucks grüner (!) Bürgermeister dafür aus, jetzt pflanzt auch das rot regierte Linz Heizschwammerln auf. Geht’s noch jenseitiger?

Wer im Freien punschen oder mit anderem Trank und Speis versorgt werden will, kann doch eigenverantwortlich auf zwei altbewährte Hausmittel gegen die Kälte zurückgreifen: den dicken Anorak und die lange Unterflak.

Schon vergessen? Abstand gilt vor allem in den trüben Corona-Zeiten weiterhin als alleroberstes Gebot – und angesichts der Errichtung ganzer Schwammerlwälder lässt sich jetzt schon sagen: Darunter droht bald Gedränge zu entstehen, wenn die illuminierte Gästeschar ins Schlottern gerät. Bei solchen Clustern haben dann die Contact-Tracer ihre liebe Not, all die Kuschler gegen den Frost raschest ausfindig zu machen.

Zu alledem gilt das Heizschwammerl quasi als der Atompilz unter den Elektrogeräten: Umweltschützer haben längst errechnet, dass fünf der strahlenden Ungetüme über einen Winter so viel Strom fressen wie ein ganzes Einfamilienhaus im Jahr. Damit gilt dieses Schwammerl als das reinste Gift – in der Corona-Krise wie in der sich stetig nähernden Klimakatastrophe. (Nina Weißensteiner, 4.10.2020)