Um die Nase etwas blasser als sonst, gibt sich Donald Trump im Spital als Macher, der trotz Krankheit arbeitet.

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Auf der Kinderzeichnung, die jemand mit Draht an dem schwarzen Eisengitter befestigt hat, ist der Hubschrauber zu sehen, der Donald Trump ins Krankenhaus brachte – darüber zwei Luftballons, auf denen die Worte "Get" und "Well" stehen – gute Besserung und darunter vier Tannen, womit der Ort, an dem der Präsident genesen soll, gar nicht schlecht beschrieben ist. Das Walter Reed National Military Medical Center liegt zwar nicht mitten im Wald, wohl aber am Rand einer bewaldeten Aue, durch die sich der Rock Creek schlängelt, ein Bach, nach dem ein ausgedehnter Landschaftspark mitten in Washington benannt ist.

Amerikanische Präsidenten kennen sie gut, die Militärklinik draußen in Bethesda, 13 Kilometer entfernt von der Pennsylvania Avenue Nr. 1600. George W. Bush und Barack Obama waren des Öfteren dort, um Verwundete der Kriege im Irak und in Afghanistan zu besuchen, unter ihnen Beinamputierte, die lernten, mit Prothesen zu laufen. Nun liegt Donald Trump in dem Krankenhaus, und an der streng bewachten, zusätzlich mit gelben Plastikbändern abgesperrten Einfahrt stehen etwa sechzig seiner Fans, die einfach in seiner Nähe sein möchten, einige beten. Es sind Leute wie Ryan Kester, 44 Jahre alt, Soldat der Army, angereist aus Newport News, einer Küstenstadt in Virginia. Manchmal wird es laut, immer dann, wenn sich ein Armeeveteran namens Louis Bracy der Gruppe nähert. Mit einem Bibelvers auf einem Plakat, der besagt, dass Trump nur ernte, was er gesät habe, was der 67-jährige Afroamerikaner so erklärt: Ein Präsident, der die Epidemie fahrlässig heruntergespielt und damit 209.000 Tote in den USA auf dem Gewissen habe, erfahre nun am eigenen Leib, was Corona bedeute. "Verschwinde! Verschwinde!", rufen Trumps Anhänger, während Bracy, in Gala-Uniform, seelenruhig seine Runden dreht."Irgendwann kriegt es jeder", glaubt Kester. Und da Trump doch ziemlich fit wirke, werde er die Krankheit sicher gut überstehen. "Haben Sie gehört, was der Doktor sagt? Klingt doch gut!"

Verwirrung statt Klarheit

Der Doktor, Dr. Sean Conley, seit Mai 2018 Leibarzt des Präsidenten, von Hause aus Osteopath, trug bislang allerdings mehr zur Verwirrung bei, als dass er Klarheit geschaffen hätte. Es begann damit, dass er sich, umgeben von neun Kollegen in weißen Kitteln, am Samstagmittag vor die Kameras stellte und ein Bild zeichnete, das sich bald als rosarot entpuppen sollte. Es gehe Trump "sehr gut", er sei fieberfrei, "wir sind sehr glücklich mit dem Fortschritt, den der Präsident macht", verkündete er. Dann aber sprach er davon, dass Trumps Corona-Diagnose 72 Stunden zurückliegen – was für erhebliche Irritationen sorgte. Demnach wäre der Patient bereits am Mittwoch positiv getestet worden, nicht erst am späten Donnerstagabend, wie es bis dato offiziell hieß. Es hätte bedeutet, dass er bereits von der Infektion wusste, als er am Donnerstag zu einem Dinner mit Spendern zu seinem Golfklub in Bedminster, New Jersey, flog.

Der Präsident, ein mutwilliger Superspreader? Prompt sah sich der Doktor gezwungen, eine schriftliche Korrektur nachzureichen: Das mit den 72 Stunden sei falsch gewesen, er hätte vom dritten Tag nach der Diagnose sprechen sollen. Da hatte Mark Meadows, Stabschef des Weißen Hauses, die Lage aber bereits in Worten skizziert, die Conleys sonnige Beschreibung erst recht wie Schönfärberei wirken ließen.

Irritiert durch den Auftritt des Leibarztes, schenkte er Reportern, die er gut kannte, reinen Wein ein. Trumps Vitalfunktionen in den vergangenen 24 Stunden hätten Anlass zu großer Sorge gegeben, die nächsten 48 Stunden würden entscheidend sein, sagte er. Die schnörkellosen Sätze seines Cheforganisators, schreibt die New York Times, sollen Trump wiederum dermaßen geärgert haben, dass er beschloss, ihnen öffentlich zu widersprechen. Also setzte er sich am Samstagabend vor eine Kamera an einen auf Hochglanz polierten Tisch, ohne Krawatte, und verteilte verbale Beruhigungspillen.

Anfangs habe er sich nicht so gut gefühlt, räumt er ein, nun aber gehe es ihm schon viel besser. Doch erst die kommenden Tage, prophezeit er, seien der wahre Test.

Das Gewirr einander widersprechender Botschaften, es trug zwangsläufig zur Verunsicherung bei, zumal wichtige Fragen lange unbeantwortet blieben. Der Frage, ob Trump mit Sauerstoff versorgt werden musste, wich Conley zunächst aus, sodass namentlich nicht genannte Regierungsmitarbeiter auch in dem Punkt für Klarheit sorgen mussten. Der Patient, berichten US-Medien unter Berufung auf sie, habe am Freitag Probleme mit dem Atmen gehabt. Noch im Weißen Haus, vor dem Flug in die Klinik, habe er zusätzlichen Sauerstoff bekommen, nachdem seine diesbezüglichen Werte bedenklich gefallen waren. Im Spital ist ihm nach Angaben der Mediziner ein Mix aus Antikörpern verabreicht worden, ein experimenteller, von der Arzneimittelbehörde noch nicht zugelassener Cocktail. Außerdem wird er mit Remdesivir behandelt, einem antiviralen Medikament, das sich in anderen Fällen insbesondere bei einem schweren Krankheitsverlauf als wirksam erwies.

Am Sonntagabend, sagte Trumps nationaler Sicherheitsberater Robert O'Brien in einem Interview, der Präsident fühle sich zwar sehr gut und wolle eigentlich wieder arbeiten, werde aber "zumindest noch eine Zeit lang" im Krankenhaus bleiben.

Infektionen im Rosengarten?

Wann und wo sich Donald Trump und seine Frau Melania ansteckten, ist einstweilen unklar. Erst am Donnerstag war Hope Hicks, Beraterin und Freundin der Familie, positiv getestet worden. Tags zuvor hatte sie den Präsidenten an Bord der Air Force One zu einer Kundgebung in Minnesota begleitet.

Denkbar ist aber auch, dass sich eine Zeremonie im Rosengarten des Weißen Hauses als Superspreader-Event erwies. Am Samstag vor einer Woche hatte Trump die Richterin Amy Coney Barrett, von ihm für einen vakanten Sitz am Supreme Court nominiert, in feierlichem Rahmen vorgestellt. Von den 150 geladenen Gästen hatten sich nur die wenigsten ein Stück Stoff vor Mund und Nase gebunden. Viele standen eng beieinander, umarmten einander oder gaben sich die Hand. Hinterher gab es einen Empfang in geschlossenen Räumen, und auch dort trug kaum jemand eine Maske. Bei mindestens sieben der Anwesenden wurde bislang eine Infektion festgestellt. (Frank Herrmann aus Washington, 4.10.2020)