"Wie schon der Präsident sagte ..." gehört zu den Standardsätzen von Vizepräsident Mike Pence.

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Es war schon immer der sehnlichste Wunsch des Mike Pence, hinter dem Schreibtisch des Oval Office zu sitzen. Einem Biografen hat der Republikaner aus dem Mittleren Westen erzählt, dass er schon als Teenager davon träumte, zum Präsidenten gewählt zu werden. Das klingt überraschend, passt es doch so gar nicht zum äußeren Schein.

Seit Donald Trump im Weißen Haus residiert, legt sein Vize großen Wert darauf, etwaige Ambitionen hinter einer Fassade demütiger Bescheidenheit zu verbergen. Keine Rede, in der er Trump nicht gefühlt ein halbes Dutzend Mal erwähnt. Pence, spotten Kritiker, sei der servilste Vize, den die USA je hatten.

Nun aber wäre er, falls Trump so krank wird, dass er sein Amt nicht ausüben kann, falls der Staatschef sogar stirbt an Covid-19, eher am Ziel, als es ihm wahrscheinlich recht ist. So pietätlos das klingen mag, die Spekulationen sind in vollem Gange. Und die US-Verfassung hat es eindeutig geregelt: "Im Falle der Amtsenthebung des Präsidenten oder seines Todes, Rücktritts oder der Unfähigkeit zur Wahrnehmung der Befugnisse und Obliegenheiten seines Amtes gehen diese auf den Vizepräsidenten über." Schon falls Trump künstlich beatmet werden muss, würde Pence übernehmen.

Der 61-Jährige mit dem schlohweißen Haar ist bereits jetzt aus dem Schatten seines Vorgesetzten getreten. Am Freitag nahm er Termine wahr, die der Staatschef nicht wahrnehmen konnte. Im Wahlkampf dürfte er, zumindest in den nächsten zehn Tagen, eine zentrale Rolle spielen. Einem Fernsehduell mit Kamala Harris, der demokratischen Kandidatin für die Vizepräsidentschaft, kommt nun eine ganz andere Bedeutung zu, als man es noch vor einer Woche für möglich gehalten hatte. Normalerweise wäre eine solche Debatte eher ein Ereignis am Rande. Am Mittwochabend in Salt Lake City, ist das anders.

Brücke zu Evangelikalen

Trump und Pence – es ist ein Gespann zweier Männer, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Hier der in dritter Ehe verheiratete schrille Milliardär aus New York – dort ein spießig wirkender Konservativer, dessen Redestil an einen Pfarrer denken lässt. Als Trump Pence 2016 als "Running Mate" ins Boot holte, verhalf er einem Gouverneur, dessen Popularität in seinem Heimatstaat kräftig gelitten hatte, zum unverhofften Aufstieg. Die Ernennung war die Entscheidung eines kühlen Rechners. Der tiefgläubige Mann aus der Provinz sollte Brücken bauen zu evangelikalen Christen.

"Ich bin ein Christ, ein Konservativer, ein Republikaner, in dieser Reihenfolge", sagt Pence über sich. Abtreibung, findet er, müsse selbst im Fall einer Vergewaltigung bei Strafe verboten werden. 2015 unterstütze er ein Gesetz, nach dem jeder Arbeitgeber in Indiana homosexuelle Angestellte wegen ihrer sexuellen Orientierung hätte entlassen und jeder Kleinunternehmer Aufträge schwuler Kunden hätte ablehnen können. Angesichts eines Proteststurms musste er einen halben Rückzieher machen. Doch sein Profil hat er damit geschärft. (Frank Herrmann aus Washington, 5.10.2020)