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Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Katarina Barley.

Foto: Reuters / Fabrizio Bensch

Berlin/Budapest – Im Streit über Rechtsstaatlichkeit in der EU hat die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley, dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán Korruption vorgeworfen. "Uns geht es darum, Orbáns korruptem System die EU-Finanzmittel zu entziehen, nicht dem ungarischen oder polnischen Volk", sagte die sozialdemokratische deutsche Politikerin dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel in einem am Sonntagabend veröffentlichten Interview.

"Wir wollen, dass das Geld bei den Bürgern ankommt – und nicht bei Orbán und seinem Schwiegersohn. Unser Vorschlag geht deshalb dahin, Gelder nicht zu streichen, sondern so zu vergeben, dass sie nicht durch Orbáns klebrige Hände gehen, sondern direkt bei denen ankommen, die gefördert werden sollen."

Neues Verfahren für Sanktionen

Vergangene Woche hatte die EU-Kommission Staaten wie Ungarn und Polen nach Prüfung dem Rechtsstaat in beiden rechtskonservative regierten Mitgliedsstaaten ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. Fast zeitgleich machte eine Mehrheit von EU-Staaten ungeachtet von Drohungen aus Warschau und Budapest den Weg für ein Verfahren zur Bestrafung von Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit frei. Das nun auf den Weg gebrachte Strafinstrument sieht unter anderem vor, Kürzungen von EU-Finanzhilfen zu ermöglichen, wenn Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit "in hinreichend direkter Weise" Einfluss auf die Haushaltsführung und die finanziellen Interessen der Union haben.

Barley sagte in dem Interview, sie plädiere für einen robusten EU-Rechtsstaatsmechanismus. Ohne einen solchen solle das Europaparlament dem EU-Haushalt nicht zustimmen. In Brüssel laufen derzeit die Verhandlungen über das neue EU-Instrument. "Viktor Orbán arbeitet seit zehn Jahren daran, den Rechtsstaat Stück für Stück abzubauen. Dabei ist er leider schon sehr weit gekommen", sagte Barley. "Orbán ist ein eiskalter Stratege, er hat nur ein Ziel – seine eigene Macht zu sichern."

Bei Ungarn hatte die Kommission unter anderem eine mangelnde Unabhängigkeit der Justiz, eine systematische Behinderung und Einschüchterung unabhängiger Medien sowie Mängel bei der Korruptionsbekämpfung kritisiert. (APA, 4.10.2020)