Wie ist es den Gesprächspärchen bei der STANDARD-Aktion "Wien spricht" ergangen? Welche Erkenntnisse konnten sie aus den verschiedenen, diskutierten Themen gewinnen? Eine Auswahl persönlicher Feedbacks der Teilnehmerinnen und Teilnehmer finden Sie in der folgenden Ansichtssache. (ugc, 5.10.2020)

Zum Thema

Christian Rieder und Stefan Kirschner haben zwei Stunden lang über die Wien-Wahl und Themen, die über die Stadt hinausgehen, gesprochen.

"Unsere Positionen waren überraschenderweise meist gar nicht so weit auseinander, nur die Schlussfolgerung, in welche Richtung die Wahlentscheidung gehen sollte, war eine andere", sagt Rieder.

"Am meisten zum Nachdenken brachte mich weniger ein spezifisches Thema, sondern gerade eben die klischeehafte und vorgefasste Meinung, die ich oft von Andersdenkenden und Wählern rechter Parteien habe."

Überzeugt hat Rieder Kirchners Argument, "dass man mit Moralisieren und Ausgrenzen nicht weiterkommt und dass es wichtig wäre, immer auf der Sachebene zu bleiben".

Nicht einig wurden sich die beiden bei dem Punkt, rechtspopulistische Parteien zu wählen.

Gelernt hat Rieder aus dem Treffen mit Kirschner, dass ein "Gespräch außerhalb des eigenen Bekannten- und Freundeskreises sehr interessant und überraschend positiv [ist] und verdeutlicht, dass Im-Gespräch- und Im-Dialog-Bleiben in der Demokratie sehr wichtig ist."

Foto: Christian Rieder

Über nachhaltige Verkehrsmaßnahmen in Wien haben sich Johannes C. Huber und Gerd Fraunschiel bei "Wien spricht" unterhalten.

Foto: Johannes C. Huber

Welches Thema in Ihrem Gespräch hat Sie am meisten zum Nachdenken gebracht?

Michael Stelzhammer: Wohin geht unsere Gesellschaft speziell in Österreich. Wie hat sich der/die WienerIn und ÖsterreicherIn verändert.

Josef Dengler: Die Idee, dass die Bürokratie nach Max Weber eigentlich ein Garant der Freiheit des Individuums gegen den Missbrauch durch ein mächtiges Individuum ist.

Welches Argument Ihres Gegenübers hat Sie besonders überzeugt?

Stelzhammer: Kein spezielles Argument, aber die grundsätzliche Gesprächsatmosphäre und der Austausch auf Augenhöhe in einem Gespräch, das der persönlichen Bereicherung dient!

Dengler: Chancengleichheit der Frauen. Sein Argument, ich solle mich mit Jordan Petersen beschäftigen und nicht einfach nachbeten, dass Frauen nicht die gleichen Chancen hätten, hat mich überzeugt.

Bei welchem Thema konnten Sie sich gar nicht einig werden?

Stelzhammer: Wir haben die Fragen unter unterschiedlichen Gesichtspunkten beantwortet, und daher kamen wir zu diesen. Grundsätzlich sind diese jedoch nicht unvereinbar, sondern bilden beide eine Basis, anhand derer man in den Fragen der Gesellschaft einen Diskurs führen sollte, ohne auf den eigenen Standpunkt / die eigenen Sichtweise zu verzichten.

Dengler: Eigentlich sind wir nirgendwo im Dissens geblieben. Im Gegenteil, ich finde Stelzhammers Argumentation sehr stichhaltig und gut überlegt. Er hat keine vorfabrizierten Meinungen von sich gegeben, sondern geht immer auf meine Argumente ein.

Was haben Sie aus Ihrem Gespräch gelernt?

Stelzhammer: Dass es zum Glück viele Menschen gibt, die an öffentlichem und differenziertem Diskurs über wichtige Themen in der Gesellschaft interessiert sind. Wir haben uns vorgenommen, nochmals / öfter zusammenzukommen, um Themenschwerpunkte zu besprechen/diskutieren.

Dengler: Mehr zuhören. Stelzhammer ist dazu ein guter Sparringpartner, weil mir seine Argumentationsweise liegt und er wirklich interessante Gedankenketten spinnt.

Foto: michael stelzhammer

Im Fokus des Gesprächs zwischen Jekaterina Borodecka und Gerhard Schmidt lag die Flüchtlingsthematik. Für Borodecka "ein sehr emotionales, schwieriges Thema. Einerseits ist klar, dass man helfen möchte, wie es mein Partner vorgeschlagen hat, andererseits, und das war mein Standpunkt, können Länder wie Österreich, Deutschland oder Schweden nicht alle Armut der Welt zu sich aufnehmen." Schmidt meinte dazu, dass Flüchtlingen geholfen werden muss, weil das menschlich sei. Geeinigt haben sich die beiden letztendlich nicht.

Foto: jekaterina borodecka

"Wie schön es doch wäre, wenn durch ein Gesamtschulsystem die Benachteiligung von Kindern durch das jetzige System aufhören würde." Dieser Meinung ist Gudrun Schweigkofler, die sich mit Eduard Schmiege getroffen hat.

Geteilter Meinung waren sie beim Wahlrecht. Die beiden diskutierten, warum es notwendig sei, "dafür die österreichische Staatsbürgerschaft zu besitzen, und warum es keine anderen Wege gibt, Beteiligung und Teilhabe zu schaffen für alle Menschen, die hier leben".

Foto: Gudrun Schweigkofler

Mladjana Pavlovic und Marvin Edlmann hatten zu allen Diskussionspunkten die gleiche Meinung. Soll's auch geben.

Foto: Mladjana Pavlovic

Über Verkehr und Wahlrecht haben sich Bettina Ehrhardt-Felkl und Florian Hintermeier unterhalten.

Foto: Bettina Ehrhardt-Felkl

Über Bildung in Wien unterhielten sich Alexander Burger und Christoph Reiser.

Burger fragt sich, "was tun mit österreichischen Volksschulkindern in einer Gegend, wo die Bevölkerung mit Migrationshintergrund einen Anteil von 80 Prozent ausmacht? Privatschule oder öffentliche Schule?" Er selbst würde sein Kind, wenn es als einziges in der Klasse Deutsch spricht, im Nachteil sehen.

Reiser meint dazu, er würde sein Kind auf eine öffentliche Schule schicken, "mit dem Hinweis auf die einfache Gesellschaftsstruktur. So lernen die Kinder die neue Lebensrealität kennen. Und lernen möglicherweise sofort mehrere Kulturen kennen." Burger dagegen: "Ich möchte auch, dass meine Kinder andere Kulturen kennenlernen. Aber da ich eine gute Bildung (inklusive Klassenkollegen, die alle Deutsch auf einem sehr guten Niveau sprechen) als wichtiger empfinde, würde ich die Privatschule wählen."

Foto: Christoph Reiser/Alexander Burger

"Gute Denkanstöße" und "befruchtende Einblicke in soziale Zusammenhänge" gab es bei Markus Brodnik und Georg Dimitz.

Foto: Markus Brodnik

Ebenso über Bildung unterhielten sich via Zoom Maria Müller und Katharina Schatz.

Müller sieht ein Problem für die Lehrpersonen, wenn die Kommunikationssprache nicht Deutsch ist. Schatz meint, dass schlechter Unterricht die Jugendlichen frustriere.

Schatz bekrittelt auch, dass Schülerinnen und Schüler im Unterricht kaum zu Wort kommen, während Müller meint, dass "Entscheidungen oft ohne klare Argumentationslinie gefällt" werden.

Foto: Maria Müller/Katharina Schatz

Andrea Mann und Hans Jürgen Möller hatten zum Thema Migration unterschiedliche Meinungen. Mann: "Ich finde es legitim, dass man aus wirtschaftlichen Gründen aus einem Land flüchtet, denn das macht man auch nur, wenn es wirklich keine Aussicht mehr gibt. Mein Gegenüber war hier anderer Meinung und meinte, es ist nicht in Ordnung, das Sozialsystem als Migrant auszunutzen, und man solle nur gewisse Menschen hereinlassen. Einig waren wir uns aber, dass wir die migrantische Bevölkerung in manchen Branchen dringend als Arbeitskräfte brauchen. Von Pflegekräften bis zu IT-Spezialisten."

Nicht einig wurden sich die beiden, ob Österreich ein Heer benötige. Mann sei Pazifistin, und Möller war als Soldat im Jugoslawien-Krieg.

Foto: Andrea Mann/Hans Jürgen Möller