Bild nicht mehr verfügbar.

Paris, wie es im Lockdown schon einmal war: Bars, Cafés und Bistros müssen vorerst zusperren.

Foto: Reuters / Gonzalo Fuentes

Der Morgenkaffee am Tresen, der Pastis zum Apéro: Das war einmal. Ab Dienstag müssen Stehbars und Cafés in Paris und drei umliegenden Departements schließen. Grund ist der starke Anstieg der Corona-Infektionen. Im Großraum Paris wurden im Wochendurchschnitt zuletzt 270 positive Tests auf 100.000 Einwohner gezählt. Die Lage ist damit noch dramatischer als in ganz Frankreich, das mit Spanien zu den am stärksten betroffenen EU-Ländern gehört: Landesweit wurden am Sonntag insgesamt 17.000 Menschen neu angesteckt – ein trauriger Rekordwert für Westeuropa, auch mit der ersten Welle im Frühjahr verglichen.

Innerhalb der Agglomeration von Paris mit ihren zehn Millionen Einwohnern verzeichnet die Innenstadt die höchsten Covid-Werte. Dort leben die Bewohner viel enger zusammen als anderswo in Frankreich: Paris ist die am dichtesten besiedelte Stadt des Westens. Unter der Woche erhält sie zudem Zuzug durch Arbeitspendler aus der Agglomeration; abends und am Wochenende führt das Kultur- und Freizeitangebot der Hauptstadt zu Menschenansammlungen aller Art.

Zur "rentrée" (Rückkehr) nach den Sommerferien kam es überdies zu einer "massiven Vermischung über alle Generationen hinweg", wie der Vorstand der Pariser Spitäler, Martin Hirsch, am Montag sagte. Das erkläre aber noch nicht alles, fuhr er fort: "Die so freiheitsliebenden Franzosen warten darauf, dass man ihnen ein bestimmtes Verhalten vorschreibt. Vorher handeln sie nicht." Und wenn einer im Bistro nach dem vierten Glas noch die Abstandsregeln einhält, eröffnete Hirsch eine Wette, "dann zahle ich Ihnen einen Euro!"

Strengere Regelungen

Mit den neuen Höchstwerten tritt in Paris automatisch die höchste Alarmstufe – Scharlachrot – in Kraft. Bürgermeisterin Anne Hidalgo ordnete deshalb am Montag in Absprache mit der Regierung neue Sperrmaßnahmen an. Sämtliche Bars, Cafés und Bistro-Tresen werden geschlossen. Restaurants dürfen nur offenbleiben, wenn sie sich an striktere Regeln halten: Registrierung der Gäste, Tischabstand von 1,5 Metern und Schließung des Lokals um 22 Uhr.

Dass die Restaurants in der Gastronomiemetropole Paris offenbleiben, hat keine gesundheitlichen, sondern rein ökonomische Gründe. Wirte und Kellner hatten vergangene Woche mit Kochlöffeln und Pfannen lauthals gegen die Schließung der Restaurants protestiert. 30 Prozent aller Lokale seien vom Konkurs bedroht, meinte der Sternekoch Philippe Etchebest; 150.000 Vertreter der Branche seien bereits arbeitslos.

Von den neuen Anordnungen in Paris profitieren paradoxerweise mediterrane Städte wie Marseille und Aix-en-Provence, wo sämtliche Gastwirtschaften seit Tagen geschlossen haben: Im Sinn der Gleichbehandlung können sie zumindest ihre Restaurants nun auch wieder öffnen.

Das Hin und Her sorgt allerdings für etliche Verwirrung. Sie wird noch gesteigert durch widersprüchliche Entscheidungen: In einzelnen Städten wie Rennes erlaubte die Justiz manchen Fitnessklubs die Wiedereröffnung; in Paris werden aber Sportklubs, Schwimmbäder oder auch Spiellokale geschlossen.

Insgesamt sind die lokalen Maßnahmen viel präziser und gezielter als bei der ersten Welle im Frühjahr. Sie spiegeln das Bemühen wider, einen völligen Lockdown zu verhindern – im Bewusstsein, dass dies für die Wirtschaft des Landes katastrophale Folgen hätte. Dafür erklärte Transportministerin Elisabeth Borne am Montag, Firmenangestellte und Beamte sollten "mehr denn je im Homeoffice" arbeiten.

Die Schulen bleiben in Frankreich geöffnet; in den Hörsälen der Universitäten wird aber nur noch die Hälfte der Studierenden zugelassen.

Vorbereitung auf die Welle

Insgesamt scheint die zweite Welle, vor der sich in Frankreich so viele fürchten, bisher noch vermeidbar zu sein. In Paris füllen sich zwar die Spitalbetten und Intensivstationen; andere Operationen werden aber wie schon im Frühling abgesagt. Umgekehrt bessert sich die Lage in Städten wie Bordeaux leicht.

Gesundheitsminister Olivier Véran gibt sich vorsichtig optimistisch; er erklärte aber auch, dass sich die Franzosen an lokal begrenzte und vorübergehende Einschränkungen gewöhnen müssten. Provisorische Anordnungen wie etwa das Maskentragen auf der Straße erweisen sich aber vielerorts als ziemlich dauerhaft. (Stefan Brändle aus Paris, 5.10.2020)