Die Performerinnen Bea Dermond, Rosa Degen-Faschinger, Barbara Carli und Gudrun Maier (v. li.) rasen auf der Suche nach den Bomben, die Wien zerstören sollen, auch über die Donau.

Foto: Franzi Kreis

Wien im Jahr 2030 ist eine Stadt am Rande des Kollaps. In Döbling patrouillieren private Sicherheitsfirmen, in der Lobau herrscht Malariagefahr, manche Bezirke darf man nur noch unter Konsumzwang betreten, und die Innenstadt steht kurz vor dem Verkauf an dubiose Investorinnen. Weil ihnen die historische Substanz im Weg ist, planen sie deren Sprengung. Stattdessen sollen Wolkenkratzer und Touristenattraktionen entstehen. Die Staatsoper soll an den Gürtel übersiedeln, mit Werken aus der Sammlung der Albertina Luxuswohnungen dekoriert werden.

Die steirische Truppe Rabtaldirndln entwirft in ihrem neuen Stück Die Stadt der Rabtaldirndln eine soziale Dystopie aus Kapitalismus und Demokratieversagen. Zumindest drehen die für ihre oft deftigen Projekte bekannten Performerinnen Barbara Carli, Rosa Degen-Faschinger, Bea Dermond, Gudrun Maier und Gerda Saiko ein Action-Movie dieses Inhalts. Ihre Mission ist es, zu retten, was noch zu retten ist, und die Bomben zu entschärfen.

Geheime Missionen, spektakuläre Snowboardritte

Dafür bedient sich der Abend am stilistischen und motivischen Repertoire von James Bond-Filmen: geheime Missionen, spektakuläre Snowboardritte vor hochalpiner Kulisse mit Waffen in der Hand, Fallschirmabsprung, Videoüberwachung, Auftritte im Bikini. Allerdings realisiert nicht mit einem Millionenbudget, sondern augenzwinkerndem Selbstgemacht-Charakter (Bühne: Georg Klüver-Pfandtner).

Der impliziert auch die Einbeziehung des Publikums. Die Sexszene ist zwar schon abgedreht, doch auch so gibt es für zehn Zuschauer je Termin viel zu tun: Man darf im Überwachungsraum Knöpfe drücken, Wind machen, Wellen schaukeln, ein Lasernetz aus Wolle spannen. Unterstützung holen sich die Rabtaldirndln auch von Autor und Regisseur Yosi Wanunu (Bruno Kreisky Lookalike) der Gruppe Toxic Dreams.

Es gibt bereits eine Graz-Fassung. Die Wien-Ausgabe, die diese Woche im Brut-Ausweichquartier auf dem Schwendermarkt zu erleben ist, ist eine Variation davon. Dazu wurden Videoanimationen, in denen Stephansdom, Hofburg und Volksgarten explodieren, ebenso angepasst wie Textpassagen umgeschrieben.

Probleme angesprochen

Der Abend rückt Fragen nach dem urbanen Zusammenleben aufs Tapet. Gesellschaftspolitische Probleme wie hohe Wohnkosten, zu wenig Grün in der Stadt oder deren Kommerzialisierung stehen aber früh fest und werden in eineinhalb Stunden eher variiert denn verfeinert. So bestimmt das szenische Experimentieren bald den Eindruck – und bleibt auch sympathisch, wenn einige Scherze nicht ganz zünden. Die Kameras auf dem Set sind jedenfalls kein Gag: Am 15. November (19 Uhr) ist das Stück im Streaming auf der Website des Brut zu sehen. (Michael Wurmitzer, 5.10.2020)