Nouméa – Zum zweiten Mal sagen die Einwohner Neukaledoniens "Non" zur Unabhängigkeit von Frankreich, doch die Mehrheit ist deutlich geschmolzen. Während beim ersten Referendum vor zwei Jahren noch 56,7 Prozent für den Verbleib beim europäischen Mutterland stimmten, waren es am Sonntag knapp unter 53,3 Prozent. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron begrüßte die Entscheidung und bekräftigte die Bereitschaft für eine weitere Abstimmung. Sowohl Unabhängigkeitsbefürworter als auch die Verfechter des Status quo müssten jedenfalls das Ergebnis anerkennen, sagte Macron.

Präsident Macron wandte sich am Sonntag mit einer Rede an die Einwohner Neukaledoniens.
Élysée

Die Abstimmung war die zweite einer Serie von drei möglichen Referenden, die Paris der Region im Vertrag von Nouméa im Jahr 1998 zugesichert hat. Ein dritter Durchgang findet in zwei Jahren statt, wenn ein Drittel des neukaledonischen Parlaments dafür stimmt. Der Nouméa-Vertrag ist das Resultat des Unabhängigkeitskampfes der einheimischen Kanak.

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53,3 Prozent beantworteten die Frage, ob Neukaledonien unabhängig werden solle, mit "Nein".
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Bevölkerung gespalten

Welches Ergebnis auch immer ein weiteres Referendum bringt: Die neukaledonische Bevölkerung ist tief gespalten, die Mobilisierung hoch. Während vor zwei Jahren noch 81 Prozent der Wahlberechtigten an der Abstimmung teilnahmen, waren es am Sonntag schon 85,6 Prozent. Die Spannungen zwischen den Kanak und französischstämmigen Loyalisten haben in den vergangenen Jahren zugenommen. Strittig war unter anderem auch die Frage, welche Voraussetzungen zur Teilnahme am Referendum berechtigen. Frankreichs Premierminister Jean Castex kündigte ein Treffen mit den politischen Führern Neukaledoniens an. In welcher Form dieses stattfinden kann, ist unsicher.

Unabhängigkeitsbefürworter feiern die Zugewinne. Für die Eigenstaatlichkeit reicht das Ergebnis jedoch noch nicht..
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Castex’ Amtsvorgänger Edouard Philippe war 2018 am Tag nach dem Referendum zu Gesprächen nach Nouméa gereist. Das aktuelle Referendum stand jedoch im Schatten der Corona-Pandemie, die die abgelegenen Inseln bisher nur gestreift hat: Wegen der Abschottung wurden erst 27 Personen positiv getestet, alle waren zuvor eingereist. Der ursprüngliche Abstimmungstermin im September wurde verschoben, die zweihundert aus Frankreich für die Abhaltung angereisten Mitarbeiter der Wahlbehörde mussten in eine zweiwöchige Quarantäne. (Michael Vosatka, 5.10.2020)