Um das Pariser Klimaziel zu erreichen, müssen die Emissionen EU-weit noch deutlichen sinken.

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Wie kann die Klimakrise möglichst abgewendet werden? Darüber, oder genauer gesagt: über die Frage, wie hoch die dazu nötige Emissionsreduktion sein muss, wird gerade auf EU-Ebene heftig diskutiert. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat vor wenigen Wochen ein neues Klimaziel von minus 55 Prozent aufs Tapet gebracht. Das heißt: Bis 2030 muss der EU-weite Treibhausgasausstoß im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent reduziert werden. Heute, Dienstag, debattiert nun auch das EU-Parlament über das EU-Klimagesetz. Die finale Abstimmung, die die Union in Richtung Klimaneutralität 2050 bringen soll, findet allerdings erst am Mittwoch statt.

Minus 55 Prozent lautet also der Vorschlag der Kommission, im EU-Umweltausschuss stimmte hingegen die Mehrheit der Abgeordneten für eine 60-prozentige Reduktion. Bisher war ein Rückgang von 40 Prozent vereinbart. Im Gegensatz zur Kommission besteht der Ausschuss darauf, dass sowohl die Union als Ganzes wie auch die einzelnen Mitgliedsstaaten bis Mitte des Jahrhunderts klimaneutral werden sollen. Zudem fordern die Abgeordneten, dass sämtliche direkten und indirekten Förderungen und Subventionen für fossile Energien spätestens mit Ende 2025 auslaufen.

Minus 60 Prozent sind eher unwahrscheinlich

Im EU-Parlament gilt eine Mehrheit für das 60-Prozent-Ziel als eher unwahrscheinlich. Dass sich eine Einigung bei minus 55 Prozent ausgeht, sei hingegen durchaus realistisch, schätzt der grüne EU-Abgeordnete Thomas Waitz. Die Grünen fordern ihrerseits eine noch höhere Reduktion: Sie werden einen Abänderungsantrag für eine Reduktion von mindestens 65 Prozent einbringen – auf EU-Ebene und für einzelne Mitgliedsstaaten. Am Dienstag gehe es jedenfalls darum, einen möglichst ambitionierten Vorschlag durchzubringen, so Waitz.

Auch die Neos wollen nach eigenen Angaben dem schärferen Kompromiss zustimmen. Sie werden das 60-prozentige Minus unterstützen, ebenso wie Abänderungsanträge für das 65-Prozent-Ziel. Gleiches war am Montag auch von der EU-Fraktion der SPÖ zu hören.

55 Prozent reichen für ÖVP

Nicht ganz so weit will sich die Volkspartei aus dem Fenster lehnen, sie wird eine Reduktion von 55 Prozent unterstützen. Schon diese sei eine "enorme Herausforderung", so Abgeordneter Alexander Bernhuber. Eine 60-prozentige Reduktion hält der Politiker für "schlichtweg unrealistisch". Es mache keinen Sinn, sich "unrealistische und kontraproduktive Ziele" zu setzen, kritisierte der EU-Umweltsprecher der ÖVP.

Die FPÖ will keinem der vorgeschlagenen Reduktionswerte zustimmen. Man lehne den Bericht des Umweltausschusses ab, heißt es seitens der freiheitlichen EU-Fraktion am Montag. Der Ansatz würde dazu führen, dass die Wirtschaftskrise weiter verstärkt wird. Die FPÖ will mit dem 55-Prozent-Ziel nicht mitgehen, auch mit keinem höheren. Sie fordert, von der "fatalen grünsozialistischen planwirtschaftlichen Politik" abzulassen und Klimapolitik im Einklang mit Wirtschaft, Industrie und sozialen Komponenten zu schaffen, sagte FP-Abgeordneter Roman Haider.

Noch nicht fixiert

Nach der Abstimmung am Mittwoch ist das neue Klimaziel noch nicht unter Dach und Fach. Anschließend steht der Trilog zwischen Parlament, Rat und Kommission an. Vor allem im Rat könnten die Verhandlungen zäh werden, wie aus beinahe allen österreichischen EU-Fraktionen zu hören ist. Einige Länder könnten sich querlegen.

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Greta Thunberg hält die vorgeschlagenen Emissionsreduktionswerte für zu niedrig.
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Für die Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg gehen jedenfalls sämtliche Vorschläge nicht weit genug. Sie wirft der EU in einem Beitrag auf der Online-Plattform Medium Schönrechnerei vor. Die vorgeschlagenen Reduktionswerte würden "nicht annähernd" genügen, um die Pariser Klimaziele zu erreichen, schrieb die Schwedin zusammen mit anderen Aktivisten mit Verweis auf den bereits erzielten Emissionsrückgang seit 1990. Nicht einmal das 65-Prozent-Ziel genügt aus Sicht der Klimaschützer, um die Erderwärmung bei maximal zwei Grad Celsius einzudämmen. (Nora Laufer, 6.10.2020)