Wolfgang Sobotka ist keiner, den eine Partei mit Zähnen und Klauen verteidigen müsste. "Meine Physiognomie macht mich nicht zum Sympathieträger", sagte er einmal im STANDARD. Sein brachiales Gehabe ebenso wenig, ließe sich ergänzen. Mit der Sensibilität eines Bulldozers walzt er sämtliche Einwände gegen seine Doppelrolle im Untersuchungsausschuss nieder. Sobotka hat fragwürdige Geldflüsse zu erklären, wobei er – vorsichtig ausgedrückt – selektive Antworten gibt. Doch den Platz des "unabhängigen" Vorsitzenden will er partout nicht räumen.

Der Ibiza-U-Ausschuss-Vorsitzende Wolfgang Sobotka.
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Trotzdem machen ihm die Türkisen die Mauer. Um den Preis der Selbstbeschädigung? Wohl kaum. Es ist unwahrscheinlich, dass die Causa Sobotka in der ÖVP-Zielgruppe für breiten Unmut sorgt. Parteichef Sebastian Kurz hat diesbezüglich ein Schlüsselerlebnis. Im letzten Nationalratswahlkampf waren die (sozialen) Medien voll mit Festplattenschredderei, überzogenen Wahlkampfkosten, fragwürdigen Spenden und anderen Affären – saftig zugelegt hat Kurz am Ende trotzdem. Wie viele Fragen der politischen Hygiene ist auch die Causa Sobotka zu komplex, um in der breiten Masse zu verfangen.

Aufs Spiel setzen würde Kurz mit einer Demontage Sobotkas, einem seiner Unterstützer beim Sprung an die Spitze, hingegen einiges: den lückenlosen Rückhalt der starken niederösterreichischen ÖVP, das Vertrauen in gegenseitige Loyalität. Da spricht viel Machtkalkül gegen die Moral. (Gerald John, 5.10.2020)