So machten Transaktionen in den 1970er-Jahren Spaß: Gegen gute Groschen gab es Hosenknöpfe in (fast) allen Preislagen.

Foto: Milena Verlag

Wessen Herz für den Einzelhandel schlägt, den wird die gähnende Leere, die aktuell in innerstädtischen Geschäftslokalen herrscht, mit tiefer Sorge erfüllen. Wiens Textilkaufhäuser gleichen dieser Tage schütter besetzten Kathedralen. Alle Hochämter für Konsumberauschte wurden aufgrund der Pandemie auf unbestimmte Zeit vertagt.

Dringt man, von Melancholie angewandelt, dennoch zum Ständer mit den Cordsamt-Hosen vor, sieht man sich im Nu von einer Schar verzückter Bacchantinnen umringt. Die Vertreterinnen des Verkaufspersonals sind schon lange keines menschlichen Wesens mehr ansichtig geworden. Also fletschen sie die Zähne und rollen zuvorkommend die Augen! Versprochen sind vierzig Prozent Preisnachlass auf honiggelben Schnürlsamt. Natürlich wäre es grundfalsch, den Handel ausgerechnet jetzt im Stich zu lassen. Die russischen Touristen weilen schließlich zu Hause in der Taiga, in ihren Datschen, wo sie goldbraune Bären kitzeln und dem Auftauen der Permafrostböden beiwohnen.

Akutes Bauchwachstum

In den Tagen der noch spürbar vom Nachkrieg gekennzeichneten Kreisky-Ära glichen Einkäufe Expeditionen, und zwar in die Gewölbe lieb gewonnener Kaufleute. Hatte ich, ein kleiner Babyboomer, aufgrund akuten Bauchwachstums wieder einmal den Hosenknopf weggesprengt, so besuchte man einen ebenerdigen Textilladen.

Seine Inhaberin verzog sich, nach devoter Artikulation des Wunsches nach Erwerb eines Knopfes, in ein schwer einsehbares Hinterzimmer. Dort machte sie sich mürrisch an einer Lade zu schaffen und kehrte, Verwünschungen murmelnd, zurück an die Theke. War der Knopf zu klein, zu groß, zu matt, zu hell blinkend – Pech gehabt! Es gebe ja, wenn einem die Ware nicht passe, schließlich auch noch andere Hosenknopfgeschäfte. Schüchtern rang man sich zum Erlag der geforderten siebzig Groschen durch.

Solche aufreibenden Beutezüge endeten unvermeidlich in der nächstgelegenen Konditorei. Ältere Damen verbargen ihr Haar unter wuscheligen Kleintieren, deren jedes "Pelzkappe" hieß. Meine Mutter ermutigte mich zum Genuss zweier Cremeschnitten. Bald schon würde ich mit Leichtigkeit den nächsten Knopf von der Hose absprengen. (Ronald Pohl, 7.10.2020)