Genossenschaften dürfen auch investierende Mitglieder aufnehmen.

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Bezugnehmend auf den Artikel von Michael Meyer danken wir für sein Eintreten für eine größere Förderung von Sozialunternehmen und für einen breiteren Diskurs über ihre Besonderheit und ihres Nutzens für die Gesellschaft. Dieses Bestreben möchten wir ausdrücklich unterstützen und darauf hinweisen, dass wir in der genossenschaftlichen Form eine ideale Rechtsform für Sozialunternehmen sehen.

Denn anders als in dem Artikel dargestellt sind Genossenschaften durchaus unternehmerisch tätig, es ist sogar ihr Wesenskern. Sie sind profitorientiert, aber verfolgen, anders als Kapitalgesellschaften, als primäres Ziel die Förderung der Mitglieder.

Aufgrund ihrer spezifischen Struktur profitiert (leidet) dabei, anders als bei Sozialunternehmen, nicht der einzelne Eigentümer allein vom Erfolg (oder Misserfolg) der Unternehmung, sondern, da alle Mitglieder der Genossenschaft bzw. Kooperative gleichzeitig auch Eigentümer sind, alle an der Genossenschaft beteiligten Personen. So ist das Mitglied nicht nur Eigentümer und Arbeitgeber der Genossenschaft, sondern zeitgleich auch deren Kunde, Lieferant oder Arbeitnehmer. Dies wird gemeinhin als Identitätsprinzip bezeichnet und ist eines der spezifischsten Genossenschaftsmerkmale, das sie von anderen wirtschaftlichen oder gemeinnützigen Organisationen unterscheidet. Allerdings ist es möglich, dass nicht nur Mitglieder von der Leistung der Genossenschaft profitieren, sondern auch Nicht-Mitglieder.

Die von Michael Meyer angesprochene breitere Mitwirkung von Kunden, Investoren, Mitarbeitern und anderen Nutznießern lässt sich durch die offene Mitgliedschaft der Genossenschaften realisieren. So wird es möglich, dass Personen, die innerhalb der Genossenschaft arbeiten, direkt an deren Erfolg partizipieren. Dies stellt insbesondere für in Sozialunternehmen tätige Personen eine große Motivation dar. So zeigt etwa der Philosoph John Stuart Mill (1806 – 1873) bereits früh, dass es durch die Struktur der Genossenschaft möglich wird, feudale Strukturen innerhalb der Unternehmen zu überwinden, da die MitarbeiterInnen selbst über das Geschick der Unternehmung mitbestimmen können und so ein größeres Maß an Freiheit erreichen. Der große Ökonom Alfred Marshall (1842 – 1924) betont bei der genossenschaftlichen Idee, dass sie, im Gegensatz zur fremdbestimmten Arbeit, die Produktivität der einzelnen Arbeiter erhöhen kann, da die ArbeiterInnen nicht mehr für eine fremde Person arbeiten, sondern für sich selbst, womit ihre Motivation und damit Produktivität gesteigert werden kann und in dessen Folge das volle Marktpotential erst erreicht wird.

Einen Aspekt, den wir sowohl für Sozialunternehmen als auch in Bezug auf Genossenschaften mit sozialer Mission sehen, ist die Struktur innerhalb der Sozialwirtschaft. Dort bedarf es, aus unserer Sicht und in voller Übereinstimmung mit Meyer, einer größeren Dynamik, die es ermöglicht, dass neben den bestehenden Strukturen neue, innovative Konzepte stärker Fuß fassen.

Ein weiterer Aspekt, der sowohl für Sozialunternehmen als auch für Sozialgenossenschaften schlagend wird, ist die in Österreich nur schwer zu erlangende steuerlich anerkannte Gemeinnützigkeit. Eine diesbezügliche Erleichterung würde es ermöglichen, dass innovative Konzepte die mit Sozialunternehmen und -genossenschaften einhergehen, stärker implementiert werden.

Denn seit der Modifizierung des österreichischen Genossenschaftsgesetzes 2006 ist es Genossenschaften in Österreich möglich, auch investierende Mitglieder aufzunehmen, womit die Gründung von Sozial- und Kulturgenossenschaften möglich wurde, die dezidiert eine soziale Zielsetzung verfolgen. Diese aufgrund einer EU-Verordnung veranlasste Revision folgt damit einer Entwicklung, die etwa in Italien bereits eine lange Tradition hat. Denn in Genossenschaften geht darum, gemeinsam etwas zu schaffen, was eine Person alleine nicht schaffen würde. Vorausgesetzt ist dem jedoch, dass der Zweck der Genossenschaft wirtschaftlich tragfähig ist. Damit folgt die genossenschaftliche Tradition dem sozialunternehmerischen Konzept, allerdings mit der bereits erwähnten partizipativen Kraft. Damit kann postuliert werden: es bedarf mehr Sozialunternehmen in der Rechtsform der Genossenschaft. (6.10.2020)