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Steigende Fallzahlen erfordern strengere Maßnahmen und großflächiges Testen. Gleichzeitig belasten präventive Testungen die Kapazitäten. Testen ist und bleibt aber essenzieller Bestandteil einer effektiven Pandemiekontrolle. Doch wie zuverlässig sind die Tests? Was ist der Unterschied zwischen PCR- und Antigentests? Warum sind Schnelltests umstritten, wenn sie doch eigentlich so praktisch in der Anwendung sind? Und welche Bedeutung haben Sensitivität und Spezifität von Testverfahren im Kampf gegen Covid-19?

PCR-Test

PCR-Tests messen die Viruslast und ertappen das Virus sozusagen in flagranti. An sich gilt die Polymerase-Kettenreaktion – kurz PCR-Test – als verlässlichstes Verfahren, um eine Covid-19-Infektion nachzuweisen. Nicht umsonst wird es als Goldstandard bezeichnet. Der Nachteil dieser Methode: Der Nasenabstrich ist nur ein Teil einer recht komplizierten Logistik.

Für die Testung wird das Erbmaterial des Virus, das als RNA vorliegt, in DNA umgewandelt und anschließend millionenfach vermehrt. Danach wird die DNA mittels eines Enzyms um ein Vielfaches verdoppelt. Für den jeweils nächsten Verdopplungsschritt müssen die DNA-Doppelstränge aufgeschmolzen werden, weshalb die Probe immer wieder auf 95 Grad erhitzt werden muss. Um diese Reaktion zu erzielen, braucht es relativ teure Geräte und das nötige Fachpersonal.

Verlässliche Ergebnisse sind das wichtigste Kriterium für jeden Test in der Medizin und besonders in der Pandemiekontrolle, bei der theoretisch Millionen von Menschen getestet werden. Es gibt zwei Gütekriterien für diese Verlässlichkeit. Einerseits die Spezifität: Sie gibt Auskunft darüber, ob alle gesunden, getesteten Menschen auch als Gesunde erkannt werden. Zum anderen die Sensitivität: Sie zeigt an, ob alle Kranken auch als Kranke erkannt werden.

Gurgeltest

Auch beim Gurgeltest, der bei Reiserückkehrern aus dem Ausland vor dem Ernst-Happel-Stadion zum Einsatz gekommen ist, handelt es sich um einen PCR-Test. Der von Manuela Födinger, Laborleiterin im Kaiser-Franz-Josef-Spital, in Wien entwickelte Test kommt seither erfolgreich zum Einsatz. Er funktioniert so: Personen ohne Krankheitssymptome bekommen ein kleines Fläschchen mit Kochsalzlösung gereicht, gurgeln 60 Sekunden lang und spucken die Flüssigkeit dann in ein Teströhrchen. "Die Gurgellösung zum Nachweis einer aktiven Sars-CoV-2-Infektion ist aus der Not heraus entstanden", erzählt Födinger. Als mitten in der Hochphase der Pandemie die Abstrich-Bestecke für die PCR-Tests ausgingen, suchte man im Wiener Gesundheitsverbund nach Alternativen.

Da Sars-CoV-2 über die Atemwege in den Rachenraum eindringt, war Gurgeln eine realistische Möglichkeit. Die großen Vorteile dieser Methode: Die Behörden brauchen zur Entnahme kein geschultes Personal, jeder kann den Test selbst durchführen. Durch diese unkomplizierte Art der Probenentnahme entfallen für die Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden auch die strengen Schutzmaßnahmen, die beim Abnehmen direkt aus Mund und Rachen notwendig sind.

Die Auswertung dieser Gurgellösungen erfolgt gleich wie bei allen anderen PCR-Tests, "wir haben keine falsch-positiven Ergebnisse", bestätigt Michael Wagner, Leiter des Zentrums für Mikrobiologie an der Universität Wien. Jetzt soll das Konzept um einen Lutsch-Test erweitert werden – für Kleinkinder, die das Gurgeln noch nicht beherrschen. Ab wann er im Einsatz sein wird, ist allerdings noch ungewiss.

Antigentests

Dieser Tage kommen die ersten sogenannten Antigentests auf den Markt. Das sind Tests, die so wie die PCR-Tests auch das aktive Virus nachweisen, allerdings auf Basis einer anderen Technologie. Vom Rachenabstrich mit einem Wattestäbchen bis zum Testergebnis dauert es gerade einmal 15 bis 35 Minuten. "Der neue Sars-CoV-2-Antigen-Schnelltest weist Proteine von Sars-CoV-2 nach und kann ortsunabhängig ohne ein Labor von medizinischem Fachpersonal eingesetzt werden", erklärt Uta-Maria Ohndorf, Geschäftsführerin von Roche Diagnostics.

Allerdings handelt es sich auch bei diesem Verfahren nicht um einen Selbsttest, wie fälschlicherweise oft angenommen wird. Antigentests sehen zwar ein bisschen so aus wie Schwangerschaftstests, was viele vermuten lässt, sie könnten sie auch selbst durchführen. Tatsächlich braucht es aber allein für den Abstrich medizinisch geschultes Personal. Und weil es sich um eine ansteckende Krankheit und eine grassierende Pandemie handelt, müssen auch die Gesundheitsbehörden verständigt werden – um etwa das Contact-Tracing weiter voranzutreiben und den Überblick über das Pandemiegeschehen zu behalten. Würde der Antigentest von Privatpersonen durchgeführt werden, könnte man das nicht mehr garantieren.

Doch wie unterscheidet sich der PCR- vom Antigentest? Während bei der Polymerase-Kettenreaktion Bestandteile des Erbguts detektiert werden, sucht man bei Antigentests nach Proteinen, die für Sars-CoV-2 typisch sind. Diesen Test zu entwickeln hat eine Zeitlang gedauert. Die Hersteller mussten erst einmal den Nachweis erbringen, dass die Ergebnisse solcher Tests, die ja an tausenden Menschen angewendet werden, tatsächlich verlässlich sind.

Auch hier kommen die zwei Parameter zur Messung der Verlässlichkeit zum Einsatz: die Sensitivität und die Spezifität. Der neue Antigentest für Sars-CoV-2 hat eine Sensitivität von 96,52 Prozent und eine Spezifität von 99,68 Prozent, basierend auf 426 Proben aus zwei unabhängigen Studienzentren.

Antikörpertest

Zu den PCR- und Antigentests sind Antikörpertests eine dritte Variante der Testung. Anders als der PCR- wird der Antikörpertest mittels Blutprobe durchgeführt – und im Gegensatz zu den ersten beiden Verfahren zeigt letzteres, ob der Organismus das Virus schon überwunden hat, also Antikörper gegen Sars-CoV-2 im Blut schwimmen, die vor einer erneuten Infektion schützen.

Das Immunsystem des Menschen erkennt Fremdkörper und bildet Abwehrkörper dagegen – die Antikörper. Sie sind das sichere Zeichen dafür, dass man gegen das Virus immun ist. Wer Antikörper im Blut hat, kann mit Infizierten Kontakt haben und wird nicht mehr krank. Er kann auch das Virus nicht mehr weitergeben. Zwar können Antikörper im Blut auch verschwinden, wenn die Infektion schon länger zurückliegt, trotzdem bedeutet aber ein fehlender Nachweis nicht automatisch, dass keine Immunität mehr gegen den Erreger vorhanden ist. Unser Körper besitzt nämlich auch Gedächtniszellen, die im Falle eines erneuten Kontakts mit dem Erreger die Produktion der Antikörper wieder anregen. Diese Immunität kann langfristig auch durch eine Impfung erreicht werden. Je mehr Menschen Antikörper haben, umso weniger gut kann sich die Erkrankung weiter ausbreiten. Das ist mit Herdenimmunität gemeint.

Nach einer Infektion dauert es, bis sich Antikörper bilden und diese im Blut nachweisbar sind. Wie lange, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Das große Problem in der Corona-Pandemie ist die Tatsache, dass die Erkrankung oft nur sehr mild – wie eine Erkältung – verläuft. Das heißt: Unter Umständen haben viele Menschen bereits Antikörper, weil sie die Erkrankung durchgemacht, aber davon nichts bemerkt haben. Man müsste also sehr viele Menschen testen, um ihnen den Status "immun gegen Sars-CoV-2" geben zu können.

Tests auf Sars-CoV-2-spezifische Antikörper im Blut spielen für die Diagnose einer akuten Infektion keine Rolle, da zwischen Beginn der Symptomatik und der Nachweisbarkeit spezifischer Antikörper etwa sieben Tage vergehen, in Einzelfällen mehr – so das Robert-Koch-Institut (RKI). Entscheidend ist der Abstand zwischen Erkrankung und Test. Da die entsprechenden Antikörper erst einige Tage nach der Infektion auftreten, besteht die Gefahr, dass man "zu früh" testet und somit der Test negativ ausfällt, obwohl man bereits infiziert ist.

Lamp-Test

Um die Testkapazität zu erhöhen, wird seit neuestem ein bereits seit 20 Jahren bekanntes und etabliertes Verfahren eingesetzt: Loop-mediated Isothermal Amplification – kurz Lamp genannt. Ergebnisse, ob positiv oder negativ, sollen binnen 35 Minuten vorliegen. Anders als beim PCR-Test geht die notwendige Vervielfältigung des Virus-Erbguts hier einfacher und rascher vonstatten – und es kommen alternative Enzyme für die Vervielfältigung der DNA zum Zuge. Diese arbeiten bei einer konstanten Temperatur, während die PCR-Reaktion Temperaturzyklen durchlaufen muss. Der Nachteil: Das Virus kann nur mit etwas reduzierter Genauigkeit detektiert werden.

Was die Zuverlässigkeit von Lamp bei Sars-CoV-2 betrifft, gibt es derzeit nur wenige Publikationen. Diejenigen, die es bereits gibt, sehen aber gut aus, heißt es aus diversen britischen und chinesischen Arbeitsgruppen. Ob der Lamp-Test tatsächlich eine Alternative zum PCR-Test darstellt, bleibt abzuwarten. Bisher ist die Sensitivität allerdings die Achillesferse des Verfahrens. Ein Wiener Forscherteam konnte sie aktuell so weit verbessern, dass sie einer PCR-ähnlichen Sensitivität entspricht.

Im Zuge des Cluster-Buster-Busses kommt er aktuell in Wiener Schulen zum Einsatz. Der Test soll leicht im Handling sein, Ergebnisse binnen 35 Minuten liefern und "im Validierungsprozess annähernd gleich gute Trefferquoten erzielen wie der PCR-Test", heißt es seitens der Projektleiterin Armita Mayerhofer von der Klinik Donaustadt. (Julia Palmai, 11.10.2020)