Was es braucht, damit der Kampf gegen Geldwäsche nicht bloß Sisyphusarbeit ist, beschreibt der Rechtsanwalt und Steuerberater Dimitar Hristov im Gastkommentar.

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Nach Recherchen eines internationalen Journalistennetzwerks akzeptieren Banken auch Geschäfte mit hochriskanten Kunden.
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Erfahrungsgemäß werden Bürokraten nach der Veröffentlichung der Fincen-Leaks wieder die Gesetzesmaschinerie in Bewegung setzen. Die Financial Action Task Force, ein weltweites Gremium zur Bekämpfung und Verhinderung von Geldwäsche, und die OECD werden zahlreiche Empfehlungen abgeben, die EU wird neue Geldwäsche- und Steuervermeidungsregularien implementieren – bis zum nächsten Skandal. Der Kampf gegen die internationale Geldwäsche und Steuervermeidung mutet wie eine Sisyphusarbeit an.

Zunächst ist die Regulatorik in den letzten Jahren explodiert. Der Kampf mit der Dokumentation der unzähligen Transaktionen verstellt in der Praxis völlig den Blick auf die Kernfragen, um die es bei Geldwäsche geht: Woher stammt das Geld, wohin geht es, sind Ursprung und Ziel eines Geldtransfers glaubwürdig? Behörden und Banken fokussieren sich viel zu sehr darauf, dass Regeln auf dem Papier eingehalten werden. Forensisch-wirtschaftliche Analysen werden kaum gemacht, man verlässt sich viel zu sehr auf kurze Checks in globalen, mehr oder weniger vollständigen Datenbanken ohne nähere Analyse und auf die Papiere, die Unternehmen übermitteln. Auch mangelt es an persönlichem Kontakt und Informationsfluss zwischen den Compliance-Abteilungen der Banken und den Bankkunden. Der Austausch mit den Behörden wird, soweit es geht, vermieden. Darüber hinaus prüft man nicht nach Inhalt, sondern eher nach Region. Stammt das Geld aus Russland, kann es nur schmutzig sein, ist es hingegen aus Österreich mit namhafter Klientel, ist es de facto sauber. Dabei ist jeder Einzelfall anders.

Jagd nach Teigtaschen

Weiters fehlt es in Banken und Behörden an ausreichend qualifiziertem und gutbezahltem Personal in diesen Bereichen. So kann man diesem Problem angesichts der umfangreichen Regulatorik praktisch nicht Herr werden.

In Österreich sind gerade knapp ein Dutzend Personen bei der Geldwäschemeldestelle beschäftigt, bei Fincen 340 Leute, von denen aber bei weitem nicht alle im genannten Bereich tätig sind. Jede Großbank ist besser aufgestellt, nur hat man bei den Banken das Problem, dass diese Jobs mangels Perspektiven und wegen der Unbeliebtheit dieser Bereiche intern eher nicht der Heuler sind. Es gibt jedoch genug qualifiziertes Personal, das sich für derartige Stellen interessieren würde. Die – sicherlich wichtige, aber finanziell doch eher wenig lohnende – Jagd nach gewissenlosen Teigtaschenfabrikanten verschlingt deutlich mehr Personal und Mittel. So ist die österreichische Finanzpolizei personell sehr gut ausgestattet, jedoch eher auf die Jagd nach Hühnerdieben und nicht auf die wesentlich werthaltigere internationale Finanzkriminalität fokussiert.

Nationale Hemmungen

Schließlich sind die Befugnisse der Geldwäschestellen eher gering. In Österreich erhält die Meldestelle Berichte, prüft diese und leitet sie an die Staatsanwaltschaft weiter. Diese tut der Erfahrung nach damit recht wenig, man sehe sich nur die Statistik der wenigen Geldwäscheverurteilungen in Österreich an. Darüber hinaus ist es auch wichtig, dass die Geldwäschebekämpfer mit den Steuerbehörden zusammenarbeiten oder, noch besser, dort organisatorisch angesiedelt sind. Die Steuerbehörden haben viel mehr Erfahrung und Einblick im Bereich internationaler Finanz- und Offshorestrukturen und mehr wirtschaftlich-finanzielles Know-how.

Die internationale Zusammenarbeit der Geldwäsche- und Steuerbehörden und der Banken besteht auf dem Papier, aber nicht in der Praxis und muss deutlich intensiviert werden. Meine praktische Erfahrung zeigt zum einen, dass nationale Behörden erhebliche Hemmungen haben, international zu kooperieren – zumal sind die Wege auch viel zu bürokratisch. Zum anderen richtet sich auch der Blick der Geldwäschebekämpfer nie auf die eigene Region, sondern immer nur auf das "dubiose Ausland", selten wird vor der eigenen Tür gekehrt.

Wenig Kooperation

Insbesondere die USA kämpfen – ursprünglich unter der Flagge der Antiterrorbekämpfung – international gegen andere vermeintliche Geldwäschereijurisdiktionen wie die Schweiz und Offshore-Paradiese wie die Britischen Jungferninseln an, halten sich aber selbst – und das nicht nur unter dem derzeitigen Präsidenten – intransparente Jurisdiktionen und Steueroasen wie Delaware, Nevada und Wyoming. Dass andere Jurisdiktionen vor diesem Hintergrund wenig Kooperationsbereitschaft zeigen, verwundert kaum; so erhalten aufgrund einer Entscheidung von Präsident Barack Obama EU-Steuerbehörden kaum Informationen in Steuersachen aus den USA, vice versa wird das aber sehr wohl eingefordert. Entweder es gelten gleiche Spielregeln für alle oder eben für keinen. Darüber hinaus wird bloßer administrativer Druck auf Offshore-Jurisdiktionen allein kaum etwas bewirken, das Geschäft ist in diesen Ländern zu groß, und wenn man es austrocknen will, muss man diesen wirtschaftliche Alternativen und Förderungen anbieten. Die meisten Steueroasen waren vormals Armenhäuser, die im Offshore-Geschäft einen Weg gesehen haben, der Armut und Arbeitslosigkeit zu entfliehen.

Korrupte Staatsmacht

Auch muss ein anderes Thema berücksichtigt werden: Insbesondere in Osteuropa und Russland wählen Geschäftsleute "dubiose" Zahlungsflüsse über Offshore-Jurisdiktion nicht (nur) aus Steuervermeidungsgründen – die Steuersätze in diesen Ländern sind gering –, sondern weil man in steter Angst vor der häufig korrupten Staatsmacht lebt und diese möglichst wenig über finanzielle Verhältnisse wissen soll, da sonst gewisse Begehrlichkeiten geweckt werden.

Will man die Problematik langfristig in den Griff bekommen, bedarf es einer ehrlichen Politik der internationalen Gesetzgeber, die sich nicht nur auf Formulare und Regulatorik, sondern auch auf Forensik fokussiert, und Medien, die "Storys" nicht nur aufdecken, sondern in Folge auch konsequent die politisch erforderlichen Maßnahmen und Konsequenzen einfordern. (Dimitar Hristov, 7.10.2020)