Mit Michael Ludwig (links) nicht nur beim Gastrogutschein auf Kurs: Walter Ruck.

Foto: APA/Helmut Fohringer

Das Konstruktive in den Mittelpunkt stellen, zielorientiert arbeiten, Wien als Wirtschaftsstandort weiterbringen. Es sind nicht gerade nervenzerfetzende Aussagen, die man derzeit von Walter Ruck erhält. Und doch hat sich der Wiener Wirtschaftskammerchef in den letzten Wochen als ziemlich gewichtige Figur entpuppt. Denn konstruktiv verhielt sich Ruck vor allem, wenn es um gemeinsame Sache mit Michael Ludwig ging. Der Wiener Bürgermeister ist bekanntlich ein Roter und damit das Hauptangriffsziel von ÖVP-Spitzenkandidat Gernot Blümel.

Schon gehört? Lassen Sie sich diesen Artikel vorlesen!

Gutscheine und mehr

Doch Unterstützung von der gewichtigen Wiener Wirtschaftsvertretung erhielt der hauptberufliche Finanzminister so gut wie keine. Auffälliger war da schon die Achse von ÖVP-Wirtschaftsbund-Mann Ruck zur Stadt-SPÖ. Der verabreichte gemeinsam mit dem Rathauschef Gastrogutscheine, schmiedete das Beteiligungsvehikel "Stolz auf Wien" für darbende Unternehmen und machte seine Distanz zur ÖVP-Spitze mit allerlei politischen Ansagen öffentlich.

Walter Ruck steht in vielen Fragen Michael Ludwig näher als den Türkisen. Das sorgt in der Parteizentrale für Verärgerung.
APA/HERBERT PFARRHOFER

Als besondere Spitze wertete die türkise Zentrale ein Treffen von Ruck mit Ludwig und dem Vertreter der EU-Kommission in Österreich, Martin Selmayr. Just kurz nachdem Blümel und der Präsident der Wirtschaftskammer Österreich, Harald Mahrer, die Paragrafenreiter in Brüssel aufs Korn genommen hatten, suchte der 57-jährige Simmeringer das Gespräch mit Ludwig und dem EU-Vertreter. Und stützte hernach auch noch die Position der von der ÖVP so gescholtenen "Bürokraten".

Streit um Fixkosten

Konkret ging es darum, dass Blümel für Corona-bedingt entstandene Umsatzausfälle eine Förderung von fünf Millionen Euro pro Betrieb auszahlen möchte. Die EU-Kommission pochte auf ein pauschales Limit von 800.000 Euro, stellte aber auch klar, dass in begründeten Fällen mehr gehe. Der Finanzminister intensivierte daraufhin seine schon länger laufende Kampagne, zu der auch der Ruf nach einer Aushebelung des EU-Beihilfenrechts zählt. Der Minister steht dabei unter Druck, wird er doch von der Opposition heftig wegen stockender Staatshilfen kritisiert.

Sebastian Kurz und Gernot Blümel ließen im Wahlkampf kein gutes Haar an der Rathaus-Politik.
Foto: APA/Hans Punz

Brüssel wurde zum willkommenen Sündenbock für eigene Fehler, tönte die politische Opposition. Blümel spannte dazu auch Mahrer ein, der in der Frage Seite an Seite mit dem Finanzminister kämpft. Und Ruck? Der trifft sich ausgerechnet mit Feindbild Selmayr und dem politischen Gegner Ludwig und erklärt danach, dass der bereits von der EU genehmigte erste Fixkostenzuschusstopf noch prall gefüllt sei und man danach trachten solle, diese Mittel mit Hochdruck unters Unternehmervolk zu bringen.

Spitze gegen Zentrale

Eine (neuerliche) Spitze des Wiener Wirtschaftsmanns gegen die Parteizentrale, wie dort ventiliert wird? Das will der Bauingenieur nicht bewerten, hält mit seiner Meinung aber auch Wochen nach dem Scharmützel nicht hinter dem Berg: "Ich halte es nicht für besonders gescheit, sich als Exportnation für eine Aushebelung des EU-Beihilfenrechts starkzumachen", sagt der Vater zweier Söhne, die beide im familieneigenen Bauunternehmen tätig sind, im Gespräch mit dem STANDARD. Immerhin würde das "etatistische" Länder, bei denen Subventionen und staatliche Lenkung eine größere Rolle spielen, stärken.

Zwischen die ÖVP-Granden Kurz, Mahrer, Ruck und Blümel (von links) passt das eine oder andere Papier.
Foto: APA/Herbert Pfarrhofer

Bei der Höhe des Fixkostenzuschusses – 800.000 versus fünf Millionen Euro – sieht er einen "Streit um Kaisers Bart". Wo die Obergrenze ausreichende Hilfe verunmögliche, könne man über Sonderregelungen immer noch an genügend Förderungen herankommen, meint Ruck. Er bevorzuge es jedenfalls, derartige Probleme sachlich und "mit weniger Aufregung" zu lösen.

Ludwigs Traumpartner

Die Distanz zur ÖVP-Linie zeigt sich auch in anderen Fragen, beispielsweise bei Asylwerbern, die eine Lehre machen. Diese nach der Ausbildung nach Hause zu schicken, ist für Ruck "Nonsens", wie er in einem Falter-Interview sagte. Längst gilt Ruck als Ludwigs Traumpartner für eine Koalition nach der Wahl am Sonntag.

Ob das realistisch ist? "Ich glaube nicht, dass Ruck auf einem ÖVP-Ticket in die Wiener Regierung geht, weil er nicht Teil des türkisen Lagers ist", meint die Chefin der Grünen Wirtschaft, Sabine Jungwirth. Eine andere These besagt, dass Ludwig auf Ruck beharren und diese Koalitionsvariante deshalb platzen werde. Dass all diese Punkte nicht nur Spekulation sind, zeigt schon, dass Ruck über einen Entwurf für ein Regierungsprogramm mit der Wiener SPÖ verfügt.

Ruck stapelt tief

Der Baumeister will von alldem nichts wissen und beteuert, er strebe kein politisches Amt an. Manche bezweifeln das und erinnern an Rucks Kampf im Rennen um die Führung der Wirtschaftskammer Österreich, bei dem Mahrer 2017 obsiegte. Den Zug zum Tor habe Ruck jedenfalls, sind Weggefährten überzeugt. Der Oberkämmerer spricht nur über seine fußballerische Ausdauer: "Im Vergleich zu meiner Jugendzeit spiele ich mit gleicher Begeisterung, aber weniger Kondition." (Andreas Schnauder, 7.10.2020)