Hier wird auf dem Geld herumspaziert: Parzival (Lina Hoppe mit Jessica Cuna, li.) bekommt in einer Neudichtung am Landestheater in Bregenz ein poppiges Antlitz verpasst.

Foto: Anja Köhler

Schon in der mittelalterlichen Dichtkunst des Wolfram von Eschenbach steckte eine Kritik des Turbokapitalismus. Zumindest hat es der Schweizer Autor Joël László (Jahrgang 1982) in seiner Stücküberschreibung des berühmten, 800 Jahre alten Versromans dahingehend zugespitzt: Geld, Parzival hatte am Sonntag am Vorarlberger Landestheater in Bregenz Uraufführung. László erklärt mit den mittelalterlichen Figurenkonstellationen die zerstörerische Kraft des Geldes. Sein Parzival ist ein moderner Ritter der Finanzwelt, er macht sich auf, das Kapital zu erkunden, für ihn ist alles Tauschhandel, sogar Kommunikation.

Geld regiert alles, Geld ist Sex, Geld ist Macht, und auch König Artus und seine liberale Gefolgschaft wollen nur eines: mehr Reichtum. Läuterung erfährt Parzival im Slum, im Elend der Welt. Er wird dann zwar nicht König, doch er erkennt, was er sein Leben lang gesucht hat und weder im Rausch des Geldes noch im Sex fand: Liebe. Wahre, sich kümmernde Liebe.

Das klingt nicht nur kitschig, auch absurd und rasant. László hat seine Ur-Heldenreise als Farce angelegt. In Stakkato-Sätzen lässt er die Figuren Wolfram von Eschenbachs, die weiterhin die alten Namen tragen, aufeinander- und auf heutige Sprache prallen: "geil", "bin reich", "wow".

Geld mit Füßen treten

Für die Bregenzer Inszenierung, die als Koproduktion mit dem Schweizer Theater Marie entstand, hat Bühnenbildner Dominik Steinmann ein funkelndes Setting geschaffen: Zigtausende goldglänzende Schweizer Fünf-Rappen-Münzen bedecken den Bühnenboden, 9000 Franken sollen es sein, die da mit Füßen getreten werden, aufgeklaubt, in die Luft geworfen. Beim Gehen knirscht es leise, die Münzen sind ein rutschiges Parkett: In der Finanzwelt gibt es keinen festen Halt.

In der Regie von Olivier Keller spielen sechs Schauspielerinnen und Schauspieler den Parzival, streifen sich nacheinander sein Kostüm über und heften sich auch dessen Penis an die Hose – jeder von uns ist Parzival! Eine Erzählerin namens Koyote (bei Eschenbach wird mehrfach ein "Kyot" als Quelle der Geschichte genannt) führt moderierend durch den Abend. Unter ihre Füße sind Stelzen geschnallt, sie steht einzig über den Dingen. Parzival hingegen geht schwanzgesteuert durch die Welt, im Plastikpenis befindet sich eine Minikamera (!), die zwischendurch aus der Hose heraus aus Schwanzperspektive die Welt filmt. Haha!

Weltrettung

Ein wenig mehr Grautöne hätten dieser überspitzten und vereinfachten Weltsicht, die Regisseur Olivier Keller und sein Team zeigen, gutgetan. Parzival würde schließlich zwar gerne die Welt retten, kriegt es aber nicht hin, und er erkennt: Nicht das Kapital ist der Heilige Gral, sondern die Fürsorge füreinander. Er wünscht sich ein Kind. Und den Kindern, die zu Stückbeginn im Video über Geld philosophierten, wird nichts anderes übrigbleiben, als diese verkommene Welt zu retten. (Julia Nehmiz, 7.10.2020)