Laut Unterlagen wird Bettina Glatz-Kremsner verdächtigt, in einer Zeugenaussage vor der WKStA falsche Angaben gemacht zu haben.

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"Guten Morgen Thomas! Nochmals vielen herzlichen Dank für den wunderbaren Abend gestern und für Deine besondere Gastfreundschaft! Habe Deine Kochkünste und die interessanten Gespräche sehr genossen (...) herzlichst, Bettina": Diese SMS aus dem Jahr 2016 wirft für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Widersprüche zu zwei Aussagen der Casinos-Chefin Bettina Glatz-Kremsner auf.

Denn vor der Staatsanwaltschaft hatte Glatz-Kremsner über ihre Beziehung zu "Thomas", also dem jetzigen Öbag-Chef Thomas Schmid, zu Protokoll gegeben, sie kenne ihn aus der Zeit der Regierungsverhandlungen im Herbst 2017, und dass es "berufliche Kontakte in seiner Funktion als Generalsekretär" beim Finanzministerium, aber "keine informellen oder privaten Kontakte" gegeben hatte. Doch wie erwähnt hatte ihr Schmid schon 2016 eine "private Einladung" übermittelt. Ziel war es, "unserem Gernot Blümel (ÖVP-Wien-Chef, Anm.) dabei ein bisschen zu helfen, sich zu etablieren", so Schmid an Glatz-Kremsner, "es wäre super cool wenn du Lust und Zeit hättest zu kommen. Acht Leute, Abendessen und sehr informell."

Das Abendessen ist einer von sechs Widersprüchen, die die Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft (WKStA) zwischen Aussagen der ehemaligen ÖVP-Parteivizeobfrau und anderen Beweismitteln entdeckt haben will.

Weitere Verdachtsmomente: Glatz-Kremsner sagte vor der Staatsanwaltschaft aus, sie habe (2.) nicht von einem Termin zwischen dem damaligen Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP), Novomatic-Gründer Johann Graf sowie Novomatic-CEO Harald Neumann gewusst; sie hatte (3.) keine Wahrnehmungen zu "Wünschen" einzelner Parteien bezüglich der Casinos-Vorstandsbesetzung; sie habe (4.) dem damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache oder (5.) der ÖVP diesbezüglich "keine Unterstützung" zugesagt sowie (6.) nichts Konkretes über den Eigentümerstreit bei der Novomatic gewusst.

So fragte Glatz-Kremsner in Chatnachrichten bei Schmid nach, wie der Termin zwischen Graf und Löger war; außerdem interessierten sie Informationen zur Position des tschechischen Casinos-Aktionärs Sazka. Schmid schrieb ihr außerdem in Bezug auf die Casinos: "Du wirst dort CEO" und "Das MUSS klappen".

Die Ausgangslage

Ein kurzer Exkurs zur Ausgangslage: 2018 standen die Eigentümer der Casinos Austria AG (Casag) im Streit um die weitere Ausrichtung des Unternehmens. Die wichtigen Akteure waren einerseits die Republik mittels Beteiligungsholding (Öbib, dann Öbag) sowie Novomatic und Sazka. Letztgenannte kooperierten eigentlich und durften einander nicht überstimmen. Die SPÖ denkt, dass das türkise Finanzministerium deshalb der Novomatic Avancen machte, um eine österreichische Kontrolle der Casinos beizubehalten. Dabei soll es zwei Deals gegeben haben, beide werden von den Beteiligten bestritten: Die türkis-blaue Regierung solle für Gesetze sorgen, die der Novomatic helfen; im Gegenzug werden die Ex-ÖVP-Vize Glatz-Kremsner und der blaue Bezirksrat Peter Sidlo in den Casinos-Vorstand gewählt. Das passierte im Frühjahr 2019 dann auch; Novomatic-freundliche Glücksspielgesetze existierten damals nur als Entwurf; dann kamen Ibiza-Video und Casinos-Ermittlungen.

Die Folgen

Für eine falsche Beweisaussage drohen bis zu drei Jahre Haft. Bettina Glatz-Kremsner sei erschüttert über die heute den Medien zugespielten Behauptungen, die sie nicht kommentieren könne, da sie aktuell noch keine offizielle Mitteilung der Staatsanwaltschaft erhalten habe, heißt es von einem Casag-Sprecher. Sie werde die Behörden "selbstverständlich" bei der "restlosen Aufklärung unterstützen". Glatz-Kremsner unterstreicht, dass sie zu keinem Zeitpunkt ein "auch nur irgendwie schuldhaftes Verhalten" an den Tag gelegt habe.

Tatsächlich ist eine vorsätzliche Falschaussage juristisch schwierig zu beweisen. Da Glatz-Kremsner vor dem U-Ausschuss ähnlich ausgesagt hat, haben die Neos bereits eine weitere Anzeige eingebracht. Auch dem Nationalpräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) werfen die Neos – gemeinsam mit der SPÖ – Falschaussagen im Zuge seiner Befragung im U-Ausschuss vor. Daher brachten sie am Mittwoch eine Sachverhaltsdarstellung ein. Sie sind der Ansicht, dass Sobotka dort unrichtige beziehungsweise unvollständige Angaben über "Art, Höhe und Umfang der Leistungen der Novomatic AG an das Alois-Mock-Institut" gemacht hat, dem Sobotka als Präsident vorsteht.

Für Glatz-Kremsner fordert die Opposition jedenfalls Konsequenzen, für die Freiheitlichen ist sie etwa ablösereif; Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) will sich in laufende Verfahren "nicht einmischen".

Bis zu ihrer Neubestellung als Casinos-Generaldirektorin, also bis Ende April 2019, war Glatz-Kremsner Vizeparteichefin der ÖVP. Laut Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hätte er sie eigentlich als Finanzministerin vorgesehen gehabt. Kurz wird auch in einigen der letzten sichergestellten Nachrichten zwischen Glatz-Kremsner und Thomas Schmid erwähnt. So schrieb sie, gerade beim "BK" (Bundeskanzler) gewesen zu sein. "Ist HBK happy?", replizierte Schmid, und: "Bleibst du seine Stv." (Stellvertreterin)? Glatz-Kremsners Antwort: "war ein äußerst positiver Termin – habe mich bedankt – auch für deine Unterstützung". (fsc, 7.10.2020)