Katharina Mischer und Thomas Traxler in ihrem Wiener Studio. Zwischen ihnen der Entwurf für eine neue Lampenserie.

Foto: Nathan Murrell

"Als der Lockdown kam, stand bei uns gerade eine große Ausstellung in Hongkong auf dem Programm. Daraus ist natürlich nichts geworden. Auch unser Auftritt mit einem neuen Projekt auf der wichtigen Messe Design Miami – Art Basel fiel ins Wasser. Blöd gelaufen.

Das Problem an solchen Absagen sind vor allem die Folgeaufträge, die wir bei solchen Veranstaltungen lukrieren. Darin besteht ein Großteil unserer eigentlichen Einnahmen. Das Positive ist, dass uns ein bisschen mehr Zeit zum Archivieren und Organisieren von Dingen blieb.

Unser jüngstes Projekt ist eine Lampenkollektion, die auf einem großen, interaktiven Projekt beruht, das wir vor ein paar Jahren für das französische Champagnerhaus Perrier-Jouët realisiert haben.

In den Glasschirmen der Leuchten befindet sich jeweils eine handgemachte Reproduktion einer ausgestorbenen Insektenart, die in der Lampe flirrt, wenn man sie einschaltet. So bringen wir das Tier künstlich ins Leben zurück. Die Kollektion kommt jetzt auf den Markt und wird von der belgischen Galerie Victor Hunt vertrieben.

Hunderte Sessel

Momentan versuchen wir auch uns etwas mehr auf Österreich zu konzentrieren. Das ist uns wichtig, denn mit der Krise ist erst klar geworden, wie wenig Projekte wir hier realisieren. Unsere Projekte werden bislang zum Großteil im Ausland realisiert.

Wir haben den Eindruck, dass jedes Land gern über die Grenze hinausfischt, und wir werden halt auch gern vom Ausland geangelt. Und so sind wir vermehrt am Ausloten und versuchen entsprechende Leute von Museen und Galerien zu treffen. Schön, dass wir vor kurzem bei der Vienna Design Week präsent waren.

Wir glauben, dass diese Krise den schnellen Rhythmus der Branche durchbricht. Es war ja auch wirklich schon zu viel, was die Messen aufführten. Brauchen wir jedes Jahr hunderte neue Sessel? Wir finden es gut, dass auch in der Mode diese Schnelllebigkeit hinterfragt wird. Dieser Aspekt ist in jedem Fall ein positiver.

Haptik spielt eine wichtige Rolle

Interessant ist, dass zu Beginn der Krise viele geglaubt haben, man könne jede Menge in die digitale Welt verlagern. Wir meinen aber, dass im Falle von Möbeln oder anderen Produkten die Haptik eine sehr wichtige Rolle spielt. Das ist auch so eine Einsicht, die zu gewinnen war.

Klar kann man viel über die Bildsprache vermitteln, aber im Endeffekt muss man ein Stück angreifen, um es wirklich zu mögen. Dennoch gibt es im Digitalen bestimmt sehr viel Spielraum, der immer stärker ausgereizt werden wird.

Weiters glauben wir, dass durch diese Zeit mehr Bewusstsein dafür entsteht, dass es nicht mehr egal ist, aus welchem Teil des Planeten ein Produkt stammt. Der Globalisierung hat das Virus bestimmt ein Schnippchen geschlagen. Jahrzehntelang wurde dieses Netzwerk an Beschaffungswegen fast nur mehr global gesehen. Wir hoffen, dass hier eine Lokalisierung stattfindet und unendliche Transportwege mehr und mehr hinterfragt und umgangen werden.

Soziopolitischer Kontext

Ob die Konsumenten durch die Krise ein stärkeres Bewusstsein für die Dinge entwickelten, die sie umgeben, ist eine gute Frage. Wir denken schon, wir sind Optimisten. Durch die Tatsache, dass die Menschen viel Zeit zu Hause verbrachten, ist es schon naheliegend zu glauben, dass sie sich auch mehr damit auseinandersetzen, womit sie sich umgeben, was gut ist, was nicht gut ist, was nicht funktioniert etc. Dass das Homeoffice auch in Zukunft verstärkt zum Einsatz kommen wird, trägt auch einen Teil dazu bei, den Wohnbereich zu verändern.

Wenn wir noch weiter in die Zukunft blicken, dann hoffen wir, dass sich mittelfristig auch die Wahrnehmung des Design-Berufs ändern wird. Es sollte einfach klar werden, dass ein Designer nicht nur da ist, um Möbel oder Produkte zu entwerfen. Es geht um einen soziopolitischen Kontext.

Was das heißt? Nun, der Designer funktioniert als Schnittstelle. Geht es um den Entwurf eines Autos, ist er die Schnittstelle zwischen Mensch, Motor und Straße. Sprechen wir von einem Beatmungsgerät erfüllt er diese Funktion zwischen Arzt und Patient. Spinnt man das weiter, könnte der Designer auch zwischen den Menschen und der Politik eine Vermittlerrolle übernehmen.

Die Designausbildung ist im besten Falle eine, bei der man lernt, Dinge miteinander zu verknüpfen, benützbar und einfach zu machen. Diese Funktion kann in vielen Gefilden zum Einsatz kommen." (Michael Hausenblas, RONDO, 15.10.2020)