Matthäus, Vater Robert und Nikolaus Hirsch (von links) beim Fachsimpeln. Die Hirsch-Brüder sind seit 2019 in der Geschäftsleitung des traditionsreichen Familienunternehmens.

Foto: Hirsch Armbänder
Foto: Hirsch Armbänder

In Klagenfurt am Wörthersee bekommen sie ihre Haute Couture verpasst, all jene Zeitmesser aus eidgenössischer Produktion, die so klingende Namen tragen wie ... Jetzt wär’s einem fast doch rausgerutscht.

Aber: So gerne man es in die Welt hinausposaunen möchte, welche prestigeträchtigen Uhrenmarken in einem eher unscheinbaren Zweckbau im Gewerbegebiet der Kärntner Landeshauptstadt ihre Armbänder fertigen lassen: Hier ist man verschwiegen wie das Schweizer Bankengeheimnis.

Man dürfe generell nicht verraten, für welche Uhrenhersteller man arbeitet, heißt es dazu bei Hirsch Armbänder. Aber eines kann gesagt werden: Es sind fast alle. Und das ist keine Übertreibung. Nur wissen das nur wenige.

Marktführer

"Wir sind ein gutgehütetes Geheimnis", meint Nikolaus Hirsch dazu augenzwinkernd. Gemeinsam mit seinem Bruder Matthäus repräsentiert er die jüngste Generation des Familienunternehmens, das seit 1765 mit dem Werkstoff Leder arbeitet und seit 1945 Uhrenarmbänder herstellt.

Allein am Stammsitz sind 410 Mitarbeiter beschäftigt, insgesamt 830 sind es weltweit. Exportiert wird in über 80 Länder. Schon 2012 konnte man den Verkauf des 250.000.000sten Armbandes bejubeln. Im Jahr 2018 betrug der Umsatz 75 Millionen Euro. Es gebe zwar lokal Konkurrenz, sagt Hirsch, "aber global gesehen sind wir Marktführer".

Allein am Stammsitz sind 410 Mitarbeiter beschäftigt,
Foto: Hirsch Armbänder

Was heute ein "hidden champion" ist, hat sehr bescheiden begonnen, wie Nikolaus Hirsch berichtet: "Mein Urgroßvater Hans hat nach dem Zweiten Weltkrieg die ersten Uhrenarmbänder aus Lederresten hergestellt: Gemeinsam mit der Uroma auf dem Küchentisch, mit Taschenmesser und Haushaltsnähmaschine."

Um dem Fachhandel in der Nachkriegszeit seine Produkte anzupreisen, musste er viel herumreisen und noch mehr Überzeugungsarbeit leisten. Dabei sei er wohl sehr hartnäckig gewesen, meint sein Urenkel nicht ohne Stolz.

Fugenlose Verbindung

Zehn Jahre nach der Firmengründung entwickelt Hans Hirsch eine Technik zur fugenlosen Verbindung von Ober- und Futterleder, also der Ober- und Unterseite des Armbands. Eine Entwicklung, die heute weltweiter Standard in der Uhrenarmbandindustrie ist und als Hirsch-Rembordé-Technik patentiert wurde.

Das Armband wird so gegen äußere Einflüsse besser geschützt. Während Know-how-Managerin Regina Hammerl diesen Meilenstein in der Unternehmensgeschichte erläutert, muss sie ihre Stimme heben. Was zum einen am Gesichtsvisier liegt, Corona macht schließlich auch vor Kärnten nicht halt, und zum anderen am Geräuschpegel in der Manufaktur, die wir gerade betreten haben.

Das Leder stammt von Gerbereien, unter anderem aus Italien, mit denen Hirsch seit Jahrzehnten zusammenarbeitet.
Foto: Hirsch Armbänder

Es riecht angenehm nach Lederjacke. Hier herrscht rege Betriebsamkeit. Männer und Frauen bedienen konzentriert Spezialmaschinen, nähen, prägen, prüfen. Hammerl führt die Besucher durch das Werk, erklärt die Produktionsschritte von A bis Z.

Auf einem Tisch gleich nach der Eingangstür liegen fein säuberlich nach Farben sortiert große Lederlappen. Sie stammen von Gerbereien, unter anderem aus Italien, mit denen Hirsch seit Jahrzehnten zusammenarbeitet. "Vom großen Lederstück hin zum Armband sind je nach Kollektion 65 bis 85 Arbeitsschritte notwendig", erklärt sie den aufwendigen Prozess, der in so einem kleinen Teil steckt, während wir bei einer speziellen Station haltmachen.

Hier bekommt Kalbsleder seine "Alligator"-Anmutung: Ein Laie könne ein echtes Alligatorenband nicht von einem "Fake"-Alligatorenband unterscheiden, meint sie. Und tatsächlich ist das mit dem freien Auge und ohne Vorkenntnisse nicht festzustellen.

Rinde und Stein

Selbstverständlich würde man auch echtes Alligatorenleder verarbeiten, das vor allem hochpreisige Uhren am Handgelenk hält, fährt sie fort. "Wir beziehen es ausschließlich von zertifizierten, nachhaltigen Farmen", sagt Hammerl, denn das Material sei nicht unumstritten. Aber auch jene, denen Tierwohl und Umweltschutz am Herzen liegen, werden in der Kollektion fündig: Hirsch hat vegane und komplett biologisch abbaubare Produkte im Sortiment.

Bis zu 85 Arbeitsschritte sind notwendig, um ein Uhrenarmband herzustellen: In der Lederverarbeitung liegt die Kernkompetenz des Klagenfurter Unternehmens.
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Denn über die Kernkompetenz in Sachen Lederverarbeitung hinaus – es werden auch so exotische Lederarten wie Eidechse oder Rochen verarbeitet – beschäftigt sich das Unternehmen mit neuen Materialien. Kautschuk etwa, aus dem 2007 eine ganze Produktfamilie hervorging. Das Material hat den Vorteil, dass es angenehm auf der Haut liegt, wasserfest und strapazierfähig ist.

2014 gelang es dann, ein Armband herzustellen, das beide Werkstoffe kombiniert. Darum kümmert sich eine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung im Haus. Dort ist es gelungen, Armbänder aus Birke und sogar aus Schieferstein zu realisieren. Besonderer Wert werde von jeher auf Tragekomfort und Qualitätssicherung gelegt, sagt Hammerl: Schließlich werde das Armband stundenlang täglich direkt auf der Haut getragen und müsse daher strengen Standards entsprechen.

Verkaufsautomat

Von solchen Innovationen war 1957, als Hermann Hirsch, Sohn des Firmengründers, in das Unternehmen eintrat, noch keine Rede. Unter anderem bekommt das Armband unter seiner Ägide eine neue Präsentationsform: Mit einem Verkaufsautomaten wurde das Produkt gut sichtbar im Verkaufsraum präsentiert. Der 1961 von Hans Hollein designte Automat steht heute im Museum of Modern Art in New York.

Darüber hinaus verbindet man Kautschuk mit Leder und produziert Armbänder aus Schieferstein und Birke. Ein Schnellwechselsystem macht es möglich, das "Kleid" der Uhr mit wenigen Handgriffen zu ändern.
Foto: Hirsch Armbänder

Für zwei kapitale Hirsche im gleichen Revier wäre nicht genug Platz, soll Hermann Hirsch sinngemäß gesagt haben, als sein Sohn Robert die Nachfolge antreten wollte. Daher schickte der Patriarch den Junior zunächst nach China und in die USA. Als Robert seinem Vater 2004 anbot, ihm das ganze Unternehmen kurzerhand abzukaufen, habe der nur "Endlich!" gesagt, erinnert sich Robert Hirsch.

Vom Ersatz zur Mode

Nun sind Roberts Söhne an der Reihe, ihre Duftnoten zu hinterlassen. Letztes Jahr sind Nikolaus und Matthäus in die Geschäftsleitung eingestiegen. Man braucht nicht lange, um herauszufinden, wer der Extrovertierte der beiden Hirsch-Brüder ist. Entlang dieser Veranlagung scheinen sie sich ihre Reviere im Familienunternehmen aufgeteilt zu haben.

Nikolaus (28) leitet den Vertrieb und das Marketing, und Matthäus (27) ist als technischer Leiter am Werk. Der Ältere tritt gern mit Hut auf und ist auf Instagram sehr aktiv. Beim Interviewtermin trägt er seine Rolex mit einem farblich auf sein zartrosa Hemd abgestimmten Armband. "Ich wechsel meine Armbänder jeden Tag, passend zum Outfit", grinst Nikolaus. Kunststück, wenn man an der Quelle sitzt.

Mehr Freiheit

Gemeinsam mit ihrem Vater arbeiten die Geschwister an einer Zukunftsvision für das Unternehmen. "Das Armband ist ein Gebrauchsgegenstand, ein Ersatzartikel und fällt meist nur dann auf, wenn es getauscht werden muss", schildert Nikolaus. Dabei mache es 70 Prozent des Erscheinungsbildes einer Uhr aus. "Wir wollen es daher als Lifestyleprodukt etablieren", ergänzt Matthäus. Man wolle das "Kleid der Uhr" unter der Marke "Hirsch The Bracelett" mehr in den Fokus des Konsumenten rücken.

Dazu beitragen soll ein neues Schnellwechselsystem, das es ermöglicht, das Armband ohne großen Aufwand zu tauschen. Man bietet auch einen Schnellwechseladapter für die Apple Watch an. Der neue Webshop soll ebenfalls dazu beitragen. Was im Fachhandel – der sich übergangen fühlte – nicht überall für Jubel sorgte, soll dem Uhrenträger ein größeres Maß an Freiheit geben, seinem Zeitmesser je nach Outfit ein neues Gesicht zu verleihen – heute ein buntes Nato-Band, morgen ein Kautschukband.

Immerhin geht der Trend in der Uhrenbranche stark in Richtung Individualisierung und Personalisierung. Manche Marken liefern schon jetzt ihre Uhren von Haus aus mit zwei oder gar mehreren Armbändern aus. Woher die meisten von ihnen stammen, kann man sich leicht zusammenreimen. (Markus Böhm, RONDO, 20.10.2020)