Der Schanigarten des Gasthauses zum Posthorn in Wien-Landstraße wurde an diese seltsame Zeit angepasst.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Ein kühler Herbstabend, eine stille Gasse im Dritten, ein schmales, zum Trottoir offenes Zelt – darin goldenes Licht, Heizstrahler, rege Geselligkeit. Das dazugehörige Wirtshaus ist auch gesteckt voll, soweit das unter Wahrung der verordneten Tischabstände halt möglich ist.

Winklers Gasthaus zum Posthorn war schon vor dem Virus ein zuverlässig ausgebuchtes Lokal. Historische Gaststuben, engagierte, schmähbegabte Wirtsleute, dazu verlässliche Wiener Küche zu Preisen wie im vorigen Jahrhundert: Selbst wenn die Wiener Küche sich bester Gesundheit erfreute, wäre das ein Angebot, dem man kaum widerstehen kann.

Walter und Andrea Winkler haben das Lokal vor elf Jahren übernommen, neben der Pflege allseits beliebter Wiener Gerichte von Backhendl und Schweinsbraten bis zu Reisfleisch und gerösteter Leber achteten sie seit Anbeginn auf ein längst unüblich gewordenes, ziviles Preisniveau. Das Zelt über dem Schanigarten haben sie einfach installiert, "in Zeiten wie diesen ist mir die Gesundheit meiner Gäste am wichtigsten – und viele wollen einfach draußen sitzen", sagt der Wirt.

Kraftvolle Lösungsansätze gefragt

Man ertappt sich dabei, solch wagemutige Hemdsärmeligkeit und strategisch eingesetzten Scheißmichnix auch anderen Wirten empfehlen zu wollen. Extreme Umstände verlangen nun einmal nach kraftvollen Lösungsansätzen. "Ich habe die Kollegen vom Magistrat in dieser Krise als wirklich verantwortliche Menschen kennengelernt", sagt Winkler, "aber ich bin immer ehrlich zu ihnen."

Während des Lockdowns verbrachte er viel Zeit vor dem Computer, "das war ein Glück". Auf Facebook entdeckte Winkler dadurch seinen alten Bekannten, den Koch Robert Letz, der seine Freude am Kochen in regelmäßigen Herd-Sessions online teilte. Die Winklers waren begeisterte Zuschauer. Als die Wiedereröffnung nahte, fragten sie einfach, ob Letz, der lange das Restaurant im Schlosspark Mauerbach leitete und bekochte, nicht Lust auf eine Zusammenarbeit hätte.

Letz hatte und kocht seit Ende Mai im Posthorn. Dass er hier wirklich Freude an der Arbeit hat, merkt man schon vor dem Essen, beim Durchblättern der Speisekarte: Neben den unverzichtbaren Klassikern der Wiener Küche hat sich hier auch jemand der Pflege oft vergessener oder schludrig exekutierter Herrlichkeiten verschrieben, gleichzeitig aber schaut Walter Winkler wie ein Haftlmacher darauf, dass die Preise nach wie vor bewundernswerte Bodenhaftung haben.

Wunderbeuschel

Klassiker der Wiener Küche werden in Winklers zum Posthorn großartig gepflegt.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Es gibt wirklich großartig würzige, mit Schafkäse und Blattspinat gefüllte Erdäpfelknödel, die in brauner Butter schwimmen. Es gibt zart paprizierte Kalbskutteln, die mit gekochtem Grießstrudel serviert werden – wo sonst wird dieser Klassiker noch gepflegt? Das Beuschel, sehr fein geschnitten, mit Tiefenschärfe gewürzt und mit erstklassiger Säure versehen, ist schlicht eine Sensation – viel besser lässt sich dieses ikonisch wienerische Gericht in der Stadt nicht bekommen.

Dasselbe gilt für den gefüllten Paprika in ganz zart mit Zimt abgeschmeckter Paradeissauce: herrlich elastisches, saftiges Faschiertes, perfekte Balance aus Süße, Bitterkeit, Fleischeslust, ein ziemlich ideales Exemplar seiner Art.

Backhendl gibt es auch, und ein exemplarisch saftiges (wenn auch sehr dick paniertes) dazu. Die Leber ist selbstredend dabei, das Magerl nicht – soll sich ja keiner schrecken von den Jungen.

Spezielle Erwähnung verdient auch das Reisfleisch, von der wunderbar patzerten Art, der Reis noch zart bissfest, das Fleisch weich und nicht zu mager, großzügig mit Parmesan beschneit. Und hinterher? Grießflammeri, noch so eine fast vergessene Herrlichkeit! (Severin Corti, RONDO, 9.10.2020)

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