2004 hat Ursina Thaler Brunner gemeinsam mit ihrem Mann Norbert Thaler das Architekturbüro Thaler Thaler Architekten gegründet. Von Beginn an stand ein spannender Aufgabenmix aus Wohnhäusern, aber auch Produktionsstätten wie Weingüter und eine Tischlerei. Davor waren die beiden in verschiedenen Büros tätig. Als Schweizerin war das Architekturstudium an der ETH Zürich die einzige Möglichkeit der universitären Ausbildung. Ein Auslandssemester habe sie dann nach Österreich gebracht – einmal etwas anderes sehen als das schweizerische Schachteldenken. Dass dieses überall so bewundert wird, amüsiert Thaler Brunner nach wie vor. "In Österreich baut man ein bisschen anders, denkt man ein bisschen anders, deshalb bin ich da und da geblieben'", fasst sie ihren bisherigen Lebensweg zusammen.

Überblick im Büro und in der Planung

Thaler Brunners Leidenschaft ist es, Themen zu suchen und zu finden. Ihr Mann fange mit dem Konzept an, dann wird darüber geredet und weiterentwickelt. "Meine Stärke ist, Strukturen zu erkennen, grundsätzlich Ordnung zu schaffen, und natürlich vor allem räumliche Organisation, einen Grundriss aufräumen, sage ich immer dazu", sagte Thaler Brunner.

Als erfolgreiches Architekturbüro gibt es viele Lieblingsprojekte. Kleinere Aufgaben wie Umbauten oder Einfamilienhäuser wachsen einem ans Herz, weil man sich intensiv bis in Details und Materialwahl einbringen kann. Bedeutung haben aber natürlich auch die größeren Wohnbauprojekte in Gebieten der Stadterweiterung und Stadtentwicklung.

Innovation am temporären Stadtrand

Sehr positive Resonanz bei Bewohnern und Fachpublikum gab und gibt es für das fertiggestellte Wohnbauprojekt Mühlgrundgasse im 22. Bezirk in Wien. Um das Projekt im Entwurf zu koordinieren, sei ihr Büro zum bestehenden Team aus Bauträger und Architekten dazu gekommen, erzählt Thaler Brunner. Gemeinsames Ergebnis langer Gespräche und Arbeitstage mit den Teams von Sophie und Peter Thalbauer Architektur und Architekt Alfred Charamza war dann ein neu aufgesetztes städtebauliches Konzept mit innovativen Häusern. Dies zeigt sich auch in einer Würdigung als IBA-Anwärter. Das Projekt funktioniere von außen nach innen. Es sind drei Plätze im Freiraum entstanden, die sich auch in die Häuser ziehen. Das Quartier und die Häuser öffnen sich nach außen zur Siedlung und zur Umgebung. In diesem Wechselspiel ist am Übergang von Stadt zu Land ein richtiger Baustein für ein nachbarschaftliches Dorf entstanden. Spannend ist auch die technische Innovation, so funktioniere die Bauteilaktivierung mit Überschussenergie aus Windkraftanlagen im Burgenland, im Winter wird geheizt und im Sommer gekühlt.

"Taschen"-Plätze als offener Raum für das Quartier und die Nachbarschaft in der Mühlgrundgasse.

Von den Akteurinnen und Akteuren der Wiener Stadtentwicklung wünscht sich Thaler Brunner mehr Freiheit in der baulichen Form. Strikte Baufluchtlinien mit Kubatur auszufüllen macht es oft schwer, lebendige Stadträume zu schaffen. Festlegungen im Flächenwidmungsplan mit Struktureinheiten, die in der maximalen Fläche oder Kubatur gedeckelt sind, lassen mehr Spielräume zu. Architektinnen, Architekten und Bauträger können und müssen so Verantwortung für den entstehenden Freiraum und Stadtraum übernehmen. Genau diese Freiheit und Verantwortung hat auch dem Projekt Mühlgrundgasse die städtebaulich-räumliche Qualität gegeben.

Eine offene Architektur zum umgebenden Straßenraum heißt alle herzlich Willkommen. Die Straße wird zum Aufenthaltsraum aufgewertet.
Foto: Manfred Seidl

Raum für die Lebensgeschichten

Der geförderte Wohnbau in Wien verlange kontinuierlich nach Innovation, technisch, architektonisch, aber auch sozial. Von den Architektinnen und Architekten wird viel Input über das baulich, stadträumliche Hinausgehende gefordert. Dabei handle es sich nicht um Sozialutopien, sagt Thaler Brunner. Sie ist überzeugt, dass Architektur viele verschiedene und sich ändernde Alltage unterstützen soll und kann. In einer kompakten Wohnung kann eine junge Alleinstehende genauso wohnen wie eine alte Frau, behindertengerecht und anpassbar haben die Wohnungen ohnehin zu sein. "Ich finde vor allem Flexibilität ist ein wichtiger Punkt. Ein Grundriss hat als Einraumwohnung oder mit abgetrennten Zimmern gut zu funktionieren. Wenn man sich was Gescheites überlegt, dann geht eigentlich ziemlich viel", sagt Thaler Brunner. Eine gutes Achssystem mit Tragstruktur könne man verschieden füllen und kann und soll sich auch über die Zeit verändern. Dass Leute in einem Haus die Wohnungen tauschen komme leider nur mehr selten vor. Aus der Schweiz kenne sie Modelle in Häusern aus den 1950er- und 1960er-Jahren und habe es selbst mehrfach erlebt, dass etwa der alleinstehende Mann mit einer wachsenden Familie im Haus die Wohnung getauscht hat. Essentiell dafür sei aber, dass es Mietwohnungen bleiben und Thaler Brunner unterstützt damit die wohnungspolitische Forderung gegen Privatisierung von Wohnraum.

Die Zugänge zu den einzelnen Gebäuden liegen an den Quartiersplätzen. Diese werden durch die sorgfältige Möblierung zu Wohnzimmern im Freien.
Foto: Manfred Seidl
Der Außenraum der Gebäude ist der urbane Innenraum der Siedlung. Hier sind in den Gebäuden zentrale Einrichtungen wie Bibliothek, Gemeinschaftsraum und Waschküche angeordnet.
Foto: Manfred Seidl

Zukunft gestalten

Eine Wunschaufgabe in der Zukunft wäre für Thaler Brunner ein Museum, aber wirklich interessieren würden sie Kindergärten und Schulen. Der Raum beeinflusse Menschen, und das sei ihre Intention. Kinder erkennen Raumqualitäten, "wenn die sich positiv an die Schule, den Raum erinnern, das ist eine besondere Auszeichnung für die Planenden". Bessere Menschen mache Architektur sicher nicht, aber der Raum beeinflusse die Menschen, und zu dieser Verantwortung stehen sie und das Büro uneingeschränkt. (Antonia Roither-Voigt, 12.10.2020)

Ursina Thaler Brunner ist seit 30 Jahren begeisterte Stadtbauerin.

Den Menschen im Mittelpunkt zu haben ist Thaler Brunners Mantra.
Foto: Paul Sturm