Teilnehmer der "Schandwache" vor dem Karl-Lueger-Denkmal in Wien wollen, dass die Behörden den Bauzaun wieder öffnen, um die Graffitis sichtbar zu halten.

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Karl Lueger war von 1897 bis 1910 Wiener Büergermeister und machte Antisemitismus in Österreich salonfähig. Er war ein Idol für Adolf Hitler.

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Johan Hartle, Rektor der Akademie der bildenden Künste, solidarisierte sich bereits am Montag mit der Kunstaktion und fordert jetzt, den Bauzaun wieder zu öffnen.

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Nach der Kunstaktion am Karl-Lueger-Denkmal in Wien und deren Zerstörung durch die rechtsextremen Identitären am Montag geht die von etlichen Organisationen ausgerufene "Schandwache" weiter. Allerdings ermittelt nun auch die Wiener Polizei gegen mehrere Tatverdächtige. So wurden zwei Anzeigen wegen schwerer Sachbeschädigung eingebracht. Diese betreffen "jegliche Verunstaltung und Beschädigung am Denkmal" und jeweils mehrere teils bekannte, teils unbekannte Verdächtige, so ein Polizeisprecher. Die Beschuldigten seien in rechts- sowie linksextremen Spektren angesiedelt.

Auch wird laut Polizei das Verhalten jener zwei Beamten dienstrechtlich untersucht, die am Montagnachmittag nicht einschritten, als die Identitären den Betonschriftzug vom Denkmal hämmerten.

Mit Auto gerammt

Darüber hinaus kam es in den Nachtstunden am Montag vor dem Denkmal zu spontanen Kundgebungen der Identitären sowie linker Gegendemonstranten. Für Rechtsextreme ist die Statue des ehemaligen Bürgermeisters ein regelmäßiger Treffpunkt, den sie durch die Kunstaktion bedroht sehen.

Kurz nach ein Uhr wollten linke Gegendemonstranten ein Auto mit Identitären stoppen und stellten sich auf die Straße. Das Auto aber beschleunigte und rammte vor den Augen der Polizei eine Demonstrantin, die einige Meter auf der Motorhaube mitgenommen wurde und dann zu Boden fiel.

Auch deshalb wird laut Polizei wegen Körperverletzung sowie Nötigung und Sachbeschädigung ermittelt, wieder gegen Personen aus dem linken sowie rechten Spektrum. Das Auto der Rechtsextremen wurde laut Augenzeugen von der Polizei nicht angehalten.

Diskussion um Bauzaun

Nach diesen Zwischenfällen ging die "Schandwache" am darauffolgenden Tag weiter. Die beteiligten Organisationen fordern eine "Um- oder Weggestaltung" des Denkmals. Luegers Antisemitismus sei in dieser Form nicht zu würdigen. Allerdings schlossen am Montag die Behörden den Bauzaun rund um das Denkmal. So bleiben die Graffiti und die 2016 errichtete Zusatztafel verdeckt. Für den Rektor der Akademie der bildenden Künste, Johan Hartle, suggeriert dieser Zaun eine Abgeschlossenheit, die es aufzubrechen gelte. "Der Zaun ist wie ein Pflaster über einer Wunde, die aber sichtbar bleiben sollte", sagt Hartle.

Mischa Guttmann, einer der beteiligten Künstler, spricht von einer "Scharade" der zuständigen Behörden. Mit geschlossenem Zaun könne keine öffentliche Diskussion über Antisemitismus stattfinden. Täglich würden Schulklassen vorbeikommen und sich über das Denkmal informieren.

Die zuständige Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) verwies zunächst auf die Verpflichtung ihres Ressorts, die Denkmäler der Stadt zu reinigen und zu restaurieren. Die Diskussion darüber begrüße sie. Wenig später wurde bekannt, dass der Bauzaun auch wieder geöffnet werden könne. Auch Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) besuchte am Mittwoch das Denkmal und befürwortete eine Umgestaltung. Die Statue sei ein "Schandfleck". Für Mittwochabend war eine weitere Kundgebung der Jüdischen Hochschülerschaft angekündigt. (Laurin Lorenz, 7.10.2020)