Die Enge daheim ertragen: Johanna Orsini-Rosenberg und Eva-Maria Aichner in "Die Sedierten" (v. li.).

Foto: Christian Brachwitz

Linz – Nach nicht einmal 15 Minuten fällt schon der Begriff Abort – das Signalwort für das genuin österreichische Genre der Fäkaliendramen. Und auch wenn es in Martin Plattners jüngstem Stück Die Sedierten nicht allzu schmutzig zugeht, so befindet sich der Tiroler Dramatiker (zuletzt Libretto zur Oper Toteis) doch eindeutig auf den Spuren von Werner Schwab und dessen Kultstück Die Präsidentinnen.

Landestheater Linz

Eine der Mieterinnen der in den Kammerspielen Linz aufgereihten Wohnungen (Gunda Schanderer) plagt Stuhldrang, sie kann dann aber doch nicht. Ihre Halbschwester (Eva-Maria Aichner), von identen Medikamenten gesteuert, hat mehr Glück. Es sind drei über Glasfronten einsichtige Wohnwaben samt vorgelagerten Thujen und Terrassen (Bühne: Momme Röhrbein), die Mariedl-Flair versprühen. Ihnen zu Füßen im Müllcontainerverschlag haust der Sohn und schnüffelt sich mit Pattex ins Delirium.

Aus sich "herausreden"

Dieser "Spinnerte Spanner" (Jakob Kajetan Hofbauer) träumt von sich als frei schwebender Mensch. Die Mutter aber (Johanna Orsini-Rosenberg), nach Vergewaltigung und Alkoholismus für das Restleben mit der Notstandshilfe in die Gartenliege verbannt, nennt ihn nur "Sauviech", kocht ihm hin und wieder aber doch ein Beuscherl.

Regisseur Stephan Suschke richtet keine voyeuristische Schlachtplatte an. Es ist ohnehin die Sprache, die in ihrer Verheerung den Raum dominiert. Und deren versachlichende Redeweisen so ganz besonders zur Wirkung kommen (z. B. "Mein Sprechen mit dir ist nun beendet"): Diese Sätze halb menschlich, halb mechanisch aus sich "herauszureden", das können die Schauspielerinnen gut (weiters: Katharina Hofmann). So klar wie hier hört man Werner Schwab in der zeitgenössischen Dramatik selten heraus. Vielleicht ist das auch schon der Hauptgrund, warum der in sich stimmige Abend auch wie ein Déjà-vu wirkt. (Margarete Affenzeller, 7.10.2020)