"Fragen Sie Dr. Ruth" ist eine quirlige, humorvolle Huldigung.

Foto: Filmladen

"Zeig wie schnell ich laufen kann." – Und schon geht die 92-jährige Ruth Westheimer demonstrativ ein paar schnelle Schritte. Immer wieder fragt sie bei der Filmcrew nach, ob sie genug gegessen hätten und steckt ihnen Süßigkeiten in den Mund. Dr. Ruth ist voller Fürsorge.

Seit den 1980er Jahren ist sie ständig auf Trab, fliegt von Termin zu Termin, hält Vorlesungen, spricht in Talkshows, um alle Fragen rund um Sexualität zu beantworten.

Humorvoll, ungeniert und auch tabulos klärt sie über Themen wie Abtreibung oder HIV auf. Der Porträtfilm Fragen Sie Dr. Ruth von Ryan White folgt ihr dabei auf Schritt und Tritt, und arbeitet rhythmisch Archivmaterialien ein.

Gesprächige Dame

Doch es gibt auch etwas, worüber die gesprächige Dame lieber schweigt. Mit zehn Jahren wird die gebürtige jüdische Deutsche von ihren Eltern in die Schweiz geschickt. Das hat ihr das Leben gerettet. Wenige Wochen zuvor wurde ihr Vater ins Konzentrationslager gebracht. Ein zunächst reger Briefwechsel endet mit dem Tod der Eltern. Erst im hohen Alter erlangt sie Gewissheit, dass ihre Eltern ermordet wurden.

In ihrer Zeit im Schweizer Waisenhaus schreibt Ruth Westheimer Tagebücher, die sie aus Angst vor der strengen Heimleitung versteckt hält. Die Briefe der Eltern hebt sie bis heute auf.

Diese Vergangenheit zeigt Regisseur Ryan White als eine Animationswelt, er überträgt den geschriebenen Worten eine eigene, fremde Stimme und übersetzt damit das in Bilder, worüber Ruth Westheimer bisher geschwiegen hatte.

Sie selbst erinnert sich lieber an ihre Jugendlieben oder stattet ihrem ersten Freund einen Besuch ab.

"Fragen Sie Dr. Ruth" ist eine quirlige, humorvolle Huldigung – und für so manchen wohl auch Neuentdeckung einer amerikanischen Ikone. (kst, 7.10.2020)