Die SPÖ will mit Gesetzesanträgen verhindern, dass Schlupflöcher im Insolvenzrecht ausgenutzt werden können.

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SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und ATB-Betriebsratschef Michael Leitner bei Betriebsversammlung der ATB Antriebstechnik in Spielberg.

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Wien/Spielberg – SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hat Mittwochmittag eine Betriebsversammlung der obersteirischen ATB Antriebstechnik in Spielberg besucht und sich von Betriebsratschef Michael Leitner über den Stand der Dinge informieren lassen. Mit 1. Dezember soll eine Arbeitsstiftung stehen, die bis zu vier Jahre für die 360 von Kündigung betroffenen Mitarbeiter zur Verfügung steht. Rendi-Wagner kritisierte die Bundesregierung, die ihrer Ansicht nach bei solchen Fällen wie ATB wegschaue.

Rendi-Wagner sagte am Mittwoch zu Mittag bei einer Pressekonferenz vor den Werkstoren, dass man künftig verhindern müsse, dass unter "Ausnutzung des Insolvenzrechtes Flaggschiffe der heimischen Industrie in die Pleite geschickt werden" – wie es bei der ATB der Fall gewesen sei. Mit Gesetzesänderungen – die SPÖ bringe entsprechende Anträge im Parlament ein – müsse Sorge getragen werden, dass das nicht mehr vorkomme, dass etwa Schlupflöcher im Insolvenzrecht ausgenützt werden. Zudem sei die Coronavirus-Krise oft auch ein Vorwand, um Arbeitsplätze in Billiglohnländer wie Polen oder Serbien zu verlagern, wie bei der ATB. Zudem müssten Förderungen und Staatshilfen künftig an Standortgarantien geknüpft werden.

ABT-Betriebsräte warten seit acht Wochen

"Es ist schön, wenn ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz Arbeitsplätze als wichtiges Ziel bezeichnet, na, das ist aber ein bisschen spät, zudem hätte man unter Schwarz-Blau nicht die Aktion 20.000 kippen bzw. AMS-Mittel reduzieren dürfen", sagte Rendi-Wagner. Sie empfindet außerdem die Haltung, seit acht Wochen nicht auf Gesprächsbitten der ATB-Betriebsräte zu reagieren, für "respektlos und arrogant".

Betriebsratschef Leitner berichtete, dass viele Mitarbeiter von der Geschäftsführung weniger Geld für den September erhalten hätten. Dabei sei es um drei Tage im Juli gegangen, die nicht vom Insolvenzfonds übernommen würden. "Dabei sind manchen Mitarbeitern bis zu 800 Euro weniger gezahlt worden, ohne vorherige Benachrichtigung durch die Chefetage." Nachträglich sei erklärt worden, dass Mitarbeiter zuvor zu viel Geld erhalten hätten – was von den zahlreichen umstehenden Beschäftigten mit lautem Gelächter quittiert wurde.

Enttäuschte Beschäftigt

Die ersten Kündigungen würden mit Ende Oktober wirksam, die letzten mit Februar 2021. Man habe noch die Hoffnung, dass ein Investor mit einem Alternativprogramm auf den Plan treten könnte. Auf diesen Job-Bedarf hin könnte auch in der Stiftung qualifiziert werden, hieß es vonseiten der Gewerkschaft.

Der obersteirische SPÖ-Abgeordenete Max Lercher forderte unter anderem, aus dem Beispiel ATB zu lernen. Der Bund müsste den Gemeinden die aufgrund der Corona-Krise entgangenen Ertragsanteile erstatten, dann könnten diese auch wieder investieren.

Beschäftigte der ATB selbst zeigten sich angetan vom Besuch von Rendi-Wagner, äußerten sich aber enttäuscht über Bundes- und Landespolitik. Eine Angestellte, in der Fertigung tätig, sagte: "Ich habe 27 Jahre hier gearbeitet, bin 15 Monate vor der Pension. Unter dem früheren Eigentümer Mirko Kovats haben wir fünf Jahre lang auf Lohnerhöhungen verzichtet, zur Sicherung der Jobs. Hätte ich dieses Geld, würde ich pensionsmäßig ganz woanders stehen."

Insolvenzanforderungen von 814 Gläubigern

Im Landesgericht Leoben fand indessen zeitgleich eine Prüfungstagsatzung im Zusammenhang mit der Insolvenz der ATB Spielberg GmbH statt. Wie die Kreditschützer von AKV, KSV1870 und Creditreform mitteilten, haben bisher 814 Gläubiger Insolvenzforderungen in der Höhe von rund 18,2 Millionen Euro angemeldet, wovon vorerst 13,3 Millionen Euro anerkannt wurden. Noch nicht inkludiert seien allerdings die Endigungsansprüche der Dienstnehmer. Da dürften weitere rund 7 Millionen Euro dazukommen.

Einschließlich dieser Dienstnehmerforderungen und möglicher Schadenersatzansprüche geht die ATB Spielberg GmbH von Gesamtverbindlichkeiten in der Höhe von 30 bis 35 Millionen Euro aus. Über einen Sanierungsplan wird am 21. Oktober abgestimmt werden. Dieser sieht das Anbot einer 30-prozentigen Quote vor. Noch vor der Prüfungstagsatzung war innerhalb des Konzerns das bewegliche Anlage- und Umlaufvermögen erworben worden, da die Produktion innerhalb des Konzerns nach Polen und Serbien verlagert werden soll. Gegen die entsprechenden Beschlüsse hat der Insolvenzschutzverband für ArbeitnehmerInnen einen Rekurs erhoben, welchem das Oberlandesgericht Graz jedoch nicht Folge gegeben hat, hieß es in den Aussendungen von AKV und KSV1870. (APA, 7.10.2020)