Mitten im Wiener Wahlkampfendspurt zitiert die FPÖ Mittwochmittag den Nationalrat zu einer Sondersitzung zusammen – auf die Tagesordnung wuchten Hofer, Kickl und Co das rechte Leib- und linke Magenthema Ausländer in allen Facetten. Mit einer dringlichen Anfrage wollen die Blauen just Finanzminister Gernot Blümel löchern, der sich derzeit als ÖVP-Spitzenkandidat in Wien für Deutsch als Voraussetzung für Gemeindebauwohnungen starkmacht – bisher die Unique-Selling-Proposition der FPÖ.

Doch Blümel ist nicht da – was noch aufsehenerregende Folgen haben wird.

Geriet wegen türkiser Maskendebatte in Rage, aber auch in Höchstform: FPÖ-Klubchef Herbert Kickl.
Foto: APA / Robert Jaeger

Denn als Schlachtruf hat FPÖ-Klubchef Herbert Kickl längst den Kampf gegen "die falsche Asyl-, Integrations- und Zuwanderungspolitik" ausgegeben, weil: Die "ungebetenen Ausländer" belasten in Corona-Zeiten das Budget.

Strich durch die Rechnung

Erst mit fast viertelstündiger Verspätung eröffnet Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) die Debatte, mit dem Hinweis auf "zahlreiche Zuschriften", dass er den Abgeordneten wegen ihres freien Mandats leider keine Vorschriften zum Maskentragen an ihren Plätzen erteilen könne. Die ÖVP-Abgeordnete Gabriela Schwarz sekundiert ihm prompt in Richtung der FPÖ-Ränge, dass ein Verzicht auf den Mund-Nasen-Schutz – wie auf den Gängen gesichtet – "verantwortungslos" sei. Angesichts steigender Infektionszahlen würden damit auch Wirtschaft und Arbeitsplätze gefährdet.

Aus dem völlig unverhüllten FPÖ-Sektor erheben sich erste Unmutsrufe. "Eine Sauerei!", tönt es, und: "Lemminge!", Lemminge!" Für die "Sauerei" setzt es einen Ordnungsruf von Sobotka – doch alle anderen Fraktionen drängen jetzt auf eine Geschäftsordnungsdebatte.

Neos-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger ist "irritiert" ob der "politischen Agitation", wo doch der Mund-Nasen-Schutz auf den Sitzplätzen nicht getragen werden müsse. Kickl redet sich sogleich in Rage – immerhin werden der Wiener FPÖ nach dem Schlamassel mit Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, also Ibiza-Skandal und Novomatic-Gate, für den Wahlsonntag nur zehn Prozent vorausgesagt.

Wände ohne Ende

Der blaue Klubchef wirft Sobotka, ohnehin schon als Leiter des U-Ausschusses in Verruf, vor: Sein Manöver zeige, dass "Sie nicht in der Lage sind, eine objektive Vorsitzführung auch im Plenum an den Tag zu legen". Zudem habe er "aus dem Parlament ein Plexiglasparlament" gemacht und reiße hinter seiner Wand selbst ständig "groß den Mund auf". Dazu rechnet Kickl vor: Ganze 90.000 Euro hätte all das Plexiglas gekostet.

SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried wiederum hält Sobotka vor, Paragraf 14, Absatz 1 der Hausordnung gebe ihm sehr wohl die Möglichkeit, beim Infektionsschutz durchzugreifen. Inzwischen ist Blümel endlich eingetrudelt und sitzt auf der Regierungsbank. Die FPÖ-Dringliche kann beginnen.

Cluster der Unvernunft

Kickl, nun am Rednerpult stehend, läuft zu seiner Höchstform auf. "Das ganze Vorgeplänkel", ruft er in Richtung Blümel, sei wohl seiner Verspätung geschuldet. Dazu höhnt Kickl in Richtung des wahlkämpfenden Ministers: "Schön, dass Sie zu uns den Weg ins Parlament gefunden haben!" Bei Blümels Vergesslichkeit (im U-Ausschuss, Anm.) sei das ein Wunder.

Dann folgen Kickls bestens bekannte Tiraden auf die hohen Kosten für "Halbstarke aus Afghanistan", und, und, und. Sein Fazit: Türkis-Grün regiere hier wie "ein einziger Cluster der Unvernunft".

Blümel, der das zunächst alles hinter seiner Maske über sich ergehen lässt, schleudert Kickl später entgegen, dass die FPÖ "nicht regierungsfähig" gewesen sei, ständig habe sie bei dem Thema "Schaum vor dem Mund". Nun stehe man für "Lösungen" wie Hilfe vor Ort. Die Antworten auf die 50 Fragen der Blauen spult er lieblos herunter, Neues ist nicht viel dabei.

Nach ihm tritt die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch ans Mikro. Ihr Befund zum Tag lautet: Die Maskendebatte sei "ein Tiefpunkt", "das Denunziantentum" habe ins Hohe Haus Einzug gehalten. Und die ÖVP fordert sie auf: "Hören Sie auf, die Gesellschaft zu spalten!" (Nina Weißensteiner, 7. 10.2020)


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