Friedenstruppen der Vereinten Nationen patrouillieren in Naqoura, südlich der libanesischen Stadt Tyre – an der Grenze zu Israel.

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Israel fördert schon Gas im Mittelmeer, wie im Leviathan-Gasfeld.

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Es ist nicht so, dass es in den vergangenen drei Jahrzehnten gar keine israelisch-libanesischen Gespräche gegeben hat: Sicherheitsfragen betreffend mussten die beiden Staaten nolens volens öfter in Kontakt treten, zum Beispiel, um die Arrangements nach dem Krieg zwischen Israel und der Hisbollah im Sommer 2006 zu treffen. Aber laut Plan werden Israel und der Libanon schon nächste Woche zum ersten Mal seit drei Jahrzehnten über eine zivile Frage verhandeln: die Demarkation ihrer Seegrenze in einer umstrittenen Zone.

Es handelt sich um eine Fläche von etwa 860 Quadratkilometern vor der Küste, in der enorme Erdgas- und Ölvorkommen vermutet werden. Das hat wohl im Libanon den Ausschlag gegeben, sich mit dem Erzfeind an einen Tisch zu begeben – oder auch an zwei verschiedene Tische in einem Raum, um das Format wurde bis zuletzt gerungen. Der Libanon, der seit Monaten vom wirtschaftlichen Kollaps bedroht ist, braucht dringend zumindest die Perspektive auf Einnahmen aus der Ausbeutung der Vorkommen.

Rechtssicherheit für beide Seiten

Und auch Israel, das bereits an anderen Stellen im Mittelmeer Gas fördert – und nach Ägypten und Jordanien exportiert –, käme Rechtssicherheit in der Frage der Seegrenzen in der heiklen Zone zupass. Laut dem Washington Institute for Near East Policy ist Jerusalem bereit, dem Libanon bei der Aufteilung des umstrittenen Territoriums in der Größenordnung 42:58 entgegenzukommen. Ob das der Libanon ebenfalls als Entgegenkommen sieht, ist eine andere Frage.

Dem Durchbruch, der Anfang Oktober verkündet wurde, ging eine mehrjährige US-Vermittlung voraus: Dass sich libanesische und israelische Delegationen in Gespräche begeben, ist also nicht im Kontext der jüngsten Normalisierung zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie Bahrain zu sehen.

Ein Erfolg für die Außenpolitik von US-Präsident Donald Trump ist es dennoch. Ein US-Offizieller, der Staatssekretär für Nahostangelegenheiten David Schenker, wird den Verhandlungen auch vorstehen. Das geschieht auf israelischen Wunsch, während die Libanesen auf die Präsenz der Uno, wenigstens in Form eines Rapporteurs, drängten. Verhandlungsort soll das Hauptquartier der UN Interim Force in Lebanon (Unifil) in Naqoura am Mittelmeer im Südlibanon sein. Der Libanon hat am Donnerstag seine Verhandlungsdelegation ernannt.

Technische Herausforderung

Die Gespräche sind nicht nur eine politische Sensation, sondern auch eine große technische Herausforderung. Normalerweise dient ja die Landgrenze, so wie sie an ein Gewässer heranführt, als Referenz zur Ziehung einer Seegrenze. Aber die territoriale Grenze zwischen dem Libanon und Israel ist (unter anderem) genau an diesem Punkt, der zwischen Naqoura und dem israelischen Rosh Hanikra am Mittelmeer liegt, ebenfalls umstritten. Es gibt nur die sogenannte blaue Linie, die demarkierte Rückzugslinie von 1978, die nach dem israelischen Abzug aus dem Südlibanon im Jahr 2000 bestätigt wurde. Israel und der Libanon befinden sich offiziell im Kriegszustand, es existieren nur Waffenruhevereinbarungen. Umso erstaunlicher ist die jetzige Entwicklung.

Laut Israel wird ausschließlich über die Seegrenze gesprochen. Von der libanesischen Seite klang das etwas anders. Es kann sein, dass der schiitische Parlamentspräsident Nabih Berri, unter dessen Ägide die Vorverhandlungen stattfanden, die Sache etwas attraktiver darstellen wollte, als er andeutete, es könne auch Gespräche über die Landgrenze geben. Auch in der Darstellung, wie die Verhandlungen ablaufen würden, gab es Unterschiede: Während der israelische Energieminister Yuval Steinitz von "direkten" Gesprächen sprach, sollten sie laut Libanon indirekt – also mithilfe eines Vermittlers, der die Botschaften zwischen den beiden Delegationen kommuniziert – stattfinden.

Keine prinzipielle Annäherung

Die Uno gab bekannt, dass die Delegationen sich im selben Raum aufhalten, aber nicht direkt sprechen würden. Manchmal entwickelt eine derartige Situation jedoch eine Eigendynamik. Noch wird aber darauf gepocht, dass keine Rede von einer prinzipiellen Annäherung zwischen den beiden Ländern sein könne.

Die Seegrenzziehungen sind nicht zuletzt angesichts der aggressiven türkischen Politik im östlichen Mittelmeer für die Anrainerstaaten eine dringliche Angelegenheit. Israel und Zypern etwa haben sich bereits auf ihre maritimen Grenzen geeinigt, während türkischer Druck auf Beirut eine libanesisch-zypriotische Einigung bisher verhindert hat. Die konfrontative türkische Politik hat zu einer engen Zusammenarbeit von Israel, Ägypten und Zypern geführt, gemeinsam haben sie das East Mediterranean Gas Forum gegründet. Aber auch die Türkei und Griechenland haben sich nach der Beinahekonfrontation im September auf Verhandlungen geeinigt.

Hisbollah mit im Boot

Auch die USA mussten, was ihre Libanon-Politik betrifft, über ihren Schatten springen, als sie die Verhandlungen vermittelten. In Beirut wäre ohne einen allgemeinen politischen Konsens der sonst zerstrittenen konfessionellen Gruppen und Parteien kein Durchbruch möglich gewesen: Das heißt, auch die von den USA mit Sanktionen belegte Iran-affiliierte schiitische Hisbollah ist mit im Boot. Der frühere Finanzminister Ali Hassan Khalil, von der Amal-Partei von Nabih Berri, wurde ebenfalls erst kürzlich für seine Hisbollah-Unterstützung mit US-Sanktionen belegt. Wenn die Hisbollah ihren Zugriff auf libanesische Ministerien, die wie Pfründe verwaltet werden, aufrechterhält, könnte sie direkt von den libanesischen Energieeinnahmen profitieren.

Es sind jedoch weiter Versuche im Gange, die nach der Explosionskatastrophe Anfang August in Beirut zurückgetretene Regierung von Hassan Diab mit einer glaubwürdig unabhängigen Expertenregierung zu ersetzen. Der Ende August designierte Premier Mustapha Diab hat das Mandat schon wieder zurückgelegt, derzeit läuft die Suche nach einem neuen Kandidaten. Die Konsultationen beginnen am 15. Oktober. (Gudrun Harrer, 8.10.2020)