Ein Teil der Mauerreste soll konserviert werden.
Foto: Stadtarchäologie Wien

Wien – In Wien sind bei Grabungen an der künftigen U5-Station Frankhplatz Überreste aus fast 2.000 Jahren Stadtgeschichte entdeckt worden. So wurden von der Stadtarchäologie Fundamente unter anderem eines römischen Gebäudes sowie mittelalterliche Keller freigelegt. Auch Mauern der – vergleichsweise jungen, aber ebenfalls bereits verschwundenen – Alser Kaserne sind dort derzeit zu bewundern. Zu den bemerkenswertesten Einzelfunden gehört ein römisches Gefäß zur Käseproduktion.

Im Bereich des Platzes beziehungsweise der Alser Straße wird schon seit einiger Zeit gewerkt. Bevor dort eine Station für die neue U5 errichtet wird, ist die Stadtarchäologie am Zug. Deren Chefin Karin Fischer-Ausserer und Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) präsentierten am Mittwoch die bisherigen Entdeckungen. Dass der Vorstoß so ergiebig war und auch zahlreiche römische Strukturen zutage förderte, war demnach nicht unbedingt zu erwarten.

Die Überreste von Öfen zum Brennen von Tongefäßen weisen auf ein größeres römisches Gewerbegebiet hin.
Foto: Stadtarchäologie Wien

Unerwartetes Gewerbegebiet aus der Römerzeit

Die Alser Straße ist eine geschichtsträchtige Verkehrsverbindung. Schon in der Römerzeit verlief hier ein wichtiger Fernweg, der vom Legionslager Vindobona nicht nur zu den Ziegeleien (Hernals), sondern auch weiter in Richtung Auxiliarkastell Comagenis (Tulln) führte.

Bislang war nur bekannt, dass sich in der Spätantike entlang dieser Straße ein Gräberfeld erstreckte. Am Frankhplatz kam nun mehr zutage, als die Archäologen erwartet hatten: Entdeckt wurde das Steinfundament eines zur Straße orientierten Hauses, dessen Funktion bislang noch offen ist. Auch Überreste zweier Öfen (wahrscheinlich Töpferöfen) und Gräbchen als Spuren von Zäunen wurden freigelegt.

Unter den antiken Fundstücken befindet sich auch eine gut erhaltene Komödienmaske aus Ton.
Foto: Stadtarchäologie Wien

Größer als gedacht

Diese Siedlungsreste sind älter als das Gräberfeld und stammen vermutlich aus der Zeit vom Ende des 1. bis zum 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Wichtig sind sie vor allem deshalb, weil sie zeigen, dass die Lagervorstadt (canabae legionis) rund um das Legionslager flächenmäßig weitaus größer dimensioniert war als bisher angenommen: ein Puzzlestein, der das bislang bekannte Siedlungsbild der Römerzeit in Richtung Westen erweitert.

Zu den spannendsten Einzelfunden gehört ein römisches Keramikgefäß. Dass es Löcher aufweist, liegt nicht am schlechten Zustand der Objekts. Vielmehr handelt es sich um ein Behältnis zur Käseherstellung, die Öffnungen waren nötig für die Produktion. Auch viele andere Objekte wie Kacheln, Scherben und Knochen wurden ausgegraben. Sie füllen nun rund 70 Bananenkisten.

Die Bruchstücke eines römischen Behälters zur Käseherstellung.
Foto: Stadtarchäologie Wien

Mittelalterliche Kellerräume

Im Jahr 1211 wurde die Alser Straße erstmals in einer Urkunde genannt. Gleichzeitig mit der Stadterweiterung von Wien und dem Bau einer Stadtbefestigung am Ende des 12. beziehungsweise zu Beginn des 13. Jahrhunderts entstanden vor den Stadttoren bereits Ansiedlungen, sogenannte Vorstädte. Sie waren in wirtschaftlicher Hinsicht für die Nahversorgung der Stadt von großer Bedeutung. In der Vorstadt vor dem Schottentor, zu der wohl auch die Gegend um den Frankhplatz gehörte, sind für das 13. Jahrhundert bereits ein Nonnenkloster, Ziegelöfen und ein Siechenhaus überliefert. Genaue historische Pläne aus dem Mittelalter liegen aber nicht vor. Auf der Rundansicht von Niklas Meldeman von 1529/1530 ist die "Vorstadt zwischen den zwei Mauern" vor dem Schottentor dargestellt.

Das Archäologen-Team legte nun mehrere Kellerräume frei. Erstmals konnten somit Grundrisse mittelalterlicher, zur Alser Straße ausgerichteter Häuser der Vorstadt dokumentiert werden. Sie geben wichtige Hinweise auf die Ausdehnung der Besiedlung an der Alser Straße vor dem Schottentor im späten Mittelalter.

Mauerreste der Alser Kaserne sollen erhalten bleiben

Das Areal des Frankhplatzes lag nach dem Bau der Wiener Festungsanlagen im 16. Jahrhundert nahe dem Glacis, dem freien Feld vor dem Festungsgraben. Anhand von Plänen aus dem 18./19. Jahrhundert war klar, dass die Ausgrabungsfläche die südöstliche Ecke der einstigen, 1912 demolierten Alser Kaserne betreffen würde. Mächtige Mauern und Kellerräume der Kaserne konnten gleich zu Beginn der Ausgrabung aufgedeckt werden.

Die Alser Kaserne wurde von 1751 bis 1753 erbaut, wies drei Obergeschoße und zumindest einen großen Innenhof für Appelle auf. Verschiedene Infanterieregimenter waren hier im Lauf der Zeit untergebracht. Die sogenannte Kasernentransaktion von 1891 bedeutete, Kasernen innerhalb des Linienwalls aufzulassen. Diese entsprachen nicht mehr den militärischen Erfordernissen, auf ihren Arealen sollten neue Wohnbauten entstehen. Die in der Alser Kaserne stationierten zwei Infanterieregimenter übersiedelten 1912 in andere Kasernen, das Gebäude wurde abgebrochen.

Teile der freigelegten Mauerreste sollen konserviert und für die Öffentlichkeit dauerhaft sichtbar gemacht werden. Bauliche und technische Möglichkeiten werden von einem Expertenteam dahingehend geprüft. (red, APA, 8.10.2020)