Nicht nur in Wien, sondern auch in München befindet sich das größte Stadterweiterungsprojekt im 22. Bezirk. Dort, im Westen der bayerischen Landeshauptstadt, liegt das rund 350 Hektar große Stadterweiterungsgebiet Freiham, das seit ein paar Jahren sukzessive bebaut wird. 11.000 Wohneinheiten sollen hier entstehen, 25.000 Menschen einmal hier wohnen. Nicht nur in München spricht man deshalb vom größten Stadtentwicklungsprojekt Europas. Zum Vergleich: In der Seestadt Aspern im 22. Wiener Bezirk sind es 10.500 Wohneinheiten mit mehr als 20.000 Menschen auf 240 Hektar.

Der neue Stadtteil im Überblick.
Bild: Rosa-Alscher-Gruppe

Zwei Grundschulen gibt es schon in Freiham, im Herbst 2019 wurde außerdem der Bildungscampus Freiham eröffnet, und die ersten Bewohner sind vor wenigen Monaten eingezogen. An der Verkehrsinfrastruktur hapert es aber noch. "Ursprünglich war eine Trambahn zur Erschließung des Gebiets geplant", erklärt der Architekt Jan Fischer – also eine Straßenbahn. Nun soll aber die U-Bahn-Linie 5 nach Freiham verlängert werden, diese wird Freiham dann direkt mit dem Münchner Haupt- sowie dem Ostbahnhof verbinden.

Fischer und sein Münchner Büro der Alles Wird Gut Architekten (mit Hauptsitz in Wien) haben das Quartiershaus auf den Baufeldern WA7 und WA8 geplant, es befindet sich gerade in Bau. "Soziale Infrastruktur auf zwei Etagen", so umreißt Fischer im Gespräch mit dem STANDARD das, was das Quartiershaus ausmachen soll. Eine städtische Bibliothek ist vorgesehen, ein Veranstaltungssaal und diverse Beratungseinrichtungen der Stadt München. "Leider kein richtiges Stadtteilmanagement", so Fischer.

Das Quartiershaus der Alles Wird Gut Architekten in Freiham-Nord wird gerade gebaut, der erste Teil wird 2021 fertig.
Visualisierung: Michael Sohm

"Offenes Einkaufszentrum"

Durchaus innovativ sind aber die Pläne für die Nahversorgung der künftigen Bevölkerung. Auf dem Mahatma-Gandhi-Platz direkt nördlich der S-Bahn-Station Freiham wird ein Stadtteilzentrum mit mehreren Bauteilen entstehen, die in den Erdgeschoßen 50 bis 70 Shops für Händler und Dienstleister beherbergen und im Freiraum dazwischen einen "Marktplatz des 21. Jahrhunderts", umrahmt von hübschen Arkaden, bilden sollen. "Offenes Einkaufszentrum" heißt das Konzept des Dienstleisters IPH, das dieser im Auftrag der Liegenschaftseigentümer Rosa-Alscher-Gruppe und Isaria Wohnbau erdachte. So soll "ein vielfältiges Angebot an Lebensmittel- und Drogeriemärkten sowie verschiedenen Mietern aus den Bereichen Mode, Sport und Gastronomie" entstehen. Für das Management und den optimalen Mietermix soll ein zentrales Quartiersmanagement zuständig sein.

Ein "offenes Einkaufszentrum" samt Marktplatz soll an der S-Bahn-Station Freiham entstehen.
Visualisierung: Störmer Murphy and Partners

Die Entwicklung eines offenen Einkaufszentrums war die Vorgabe in der Ausschreibung für das Stadtteilzentrum. Keinesfalls will die Stadt nämlich hier die Fehler wiederholen, die bei der Entwicklung des ehemaligen Flughafengeländes in Riem gemacht wurden. Dort schuf man im Wesentlichen monofunktionale Wohnbauten, gruppiert um ein riesiges Einkaufszentrum, die Riem Arcaden. Die sind zwar gutbesucht und also wirtschaftlich höchst erfolgreich – ein richtiges Stadtteilzentrum entstand so nicht.

In Freiham soll es also anders werden, eines wird aber wohl so sein wie fast überall: Die Shopflächen im Ausmaß von 30.000 m2 werden schlussendlich wohl bei Investoren landen.

Verkehrskonzept liegt vor

Ein Verkehrskonzept für Freiham gibt es seit dem heurigen Frühjahr, demnach soll dem Fuß- und Radverkehr Priorität eingeräumt werden, der motorisierte Individualverkehr soll hier auf 25 Prozent beschränkt werden (zum Vergleich: In ganz München liegt er derzeit bei 34 Prozent). Dafür braucht es aber eben die nötige Infrastruktur. Einer der Pläne: In Freiham-Nord soll auf 15 Wohnungen lediglich ein Besucherstellplatz im öffentlichen Raum kommen. In anderen Neubaugebieten in München liegt dieser Faktor zwischen 1:6 und 1:10. Für Bewohner wird auf ein System aus Sammelgaragen gesetzt, ganz ähnlich wie in der Seestadt Aspern, außerdem soll es diverse Sharing-Angebote geben. (Martin Putschögl, 10.10.2020)