Klingeling, die Straßenbahn kommt – nächstes Jahr. Sie soll dem Reininghaus-Areal einen ordentlichen Schub geben.

Foto: Pentaplan

Wo sich einst das Bierbrau-Imperium der Unternehmerfamilie Reininghaus begründete, entsteht ein Stadtquartier für Graz. Auf dem 54 Hektar großen Reininghaus-Areal, das nur eine kurze Radfahrt vom Zentrum entfernt liegt, entstehen bis 2025 rund 10.000 Wohnungen und 5000 Arbeitsplätze. Vor drei Jahren fuhren die Bagger auf. Die ersten Projekte sind bereits fertig.

Die Vorgabe vonseiten der Stadt war klar: "Das soll keine reine Wohn- und Schlafstadt werden", sagt Stadtbaudirektor Bertram Werle. Es wird angestrebt, was man sich landauf, landab für alle auf dem Reißbrett geplante Viertel wünscht. Nämlich ein "urbaner Nutzungsmix". Soll heißen: Das bunte Leben, das bisher nur auf den Visualisierungen von Architekten zu sehen ist, soll hier auch in echt einziehen.

Ob das gelingen wird, ist offen. Die Stadt Graz tritt in Reininghaus nicht als Bauherrin auf, ihr gehören hier keine Grundstücke. In einer Abstimmung hatte sich die Bevölkerung 2012 gegen einen Ankauf des Areals durch die Stadt ausgesprochen. "Man könnte sagen: Wir sind zu einer Zuschauerrolle verdammt", sagt Werle – um rasch hinzuzufügen: "Aber wir schaffen es, das Projekt zu steuern." So wurde schon im Bebauungsplan festgelegt, wo keine Wohnnutzung erlaubt ist, etwa in den Erdgeschoßen. Hier soll sich Gewerbe ansiedeln, um die Erdgeschoße zu beleben. Um die Interessen der Stadt zu wahren, wurden städtebauliche Verträge mit den Entwicklern abgeschlossen. Es soll außerdem eine Förderung für Start-ups geben, die sich in Reininghaus einmieten. Ein eigenes Stadtteilmanagement fungiert als Kommunikationsdrehscheibe für alle Beteiligten.

Kooperation der Bauträger

Kommunikation spielt überhaupt eine zentrale Rolle in Reininghaus: Die 17 Bauträger, die auf insgesamt 20 Baufeldern sowohl gefördert als auch freifinanziert bauen, haben sich vor drei Jahren zu einem Eigentümerboard zusammengeschlossen. Sie haben eine Lenkungsgruppe bestellt, die sich alle zwei Wochen mit der Stadt trifft, um aktuelle Themen zu besprechen. "Bauträger denken oft nicht über ihre Grundgrenze hinaus", das sei hier anders, sagt Birgit Leinich von der ÖSW-Gruppe, die auf dem Reinighaus-Areal vor wenigen Wochen die Dachgleiche für den Wohnturm "Mirror" gefeiert hat.

Der Zusammenschluss der Bauträger– darunter sind neben dem ÖSW auch die BIG-Tochter ARE und die Wohnbaugruppe Ennstal – hat eine gemeinsame Webseite mit Infos zum Areal ins Leben gerufen. "Die einzelnen Bauträger sind für Wohnungssuchende ja meist zweitrangig", sagt Leinich. Stattdessen wollen sie sich über ihren zukünftigen Wohnort informieren. Auch eine gemeinsame Baustellenkoordination mit der Stadt wurde gestartet.

Die Erdgeschoße managen

Birgit Leinich wünscht sich von der Stadt auch ein Sockelzonenmanagement, denn die Ansiedelung von Betrieben ist nicht nur in Zeiten von Corona schwierig. Es brauche eine zentrale und neutrale Anlaufstelle für Unternehmen, die sich ansiedeln möchten, die sämtliche Infos zu Gewerbeflächen der einzelnen Bauträger hat.

"In Kürze", so Stadtbaudirektor Werle, werden 1000 bis 2000 Wohnungen fertig. Dann werde es für Nahversorger attraktiv, aufzusperren. Autos werden im Viertel eine untergeordnete Rolle spielen, 5000 Stellplätze gibt es in Sammelgaragen. Dafür wird kommendes Jahr die Straßenbahn fertig, die das Viertel mit dem Rest der Stadt verbindet. Schulen, Kinderbetreuungsangebote, Ausbildungsstätten, Gesundheitseinrichtungen folgen.

Und dann? "Fertig ist eine Stadt nie", sagt Stadtbaudirektor Werle. Aber in fünf Jahren sei all das, worüber jetzt geredet wird, wohl schon erlebbar. Der neue Stadtteil, so seine Hoffnung, wird in den Rest der Stadt ausstrahlen. Und auch dort für mehr Grün und weniger Autos sorgen. (Franziska Zoidl, 12.10.2020)